Vom Seifen der Blase – Jena, oder: Die Beschaulichkeit eines All-Inclusive-Hotels

von David

Reinhold Messner ist Südtiroler, Extrembergsteiger und aus sozial unverträglichem Holz geschnitzt. Behauptet man. Aufgewachsen in einem einsamen Tal der italienischen Alpen, begann sich der kleine Reinhold früh zu fragen, was denn wohl hinter den mächtigen Bergen seiner nächsten Umgebung liegen mag und fing an, hinaufzusteigen. Getrieben von dem Bedürfnis einer Horizonterweiterung, der Ablehnung des sprichwörtlichen Tellerrands als äußerste Grenze der eigenen kurzsichtigen Welt. Die Gipfel einer Thüringer Studentenstadt können zwar mit weitaus weniger Imposanz glänzen, besagte Bedürfnisse ihrer Bewohner wachsen jedoch zeitweilig zu dolomitischen Ausmaßen heran.

Vom Geist des Ausreißens gepackt, schwingt sich der ein oder andere hinauf zu Landgraf und Jenzig. Der Wunsch nach Weite ist groß, geschaut wird jedoch meist nur zurück auf die Stadt, zwischen den Hügeln ihrer eigenen Beschaulichkeit eingezwängt und auf den ersten Blick für immer dazu verdammt. Überschaubar und kompakt scheint sie aus solcher Perspektive zu sein, fast wie ein All-Inclusive-Hotel in der Dominikanischen Republik, wo einem vermittelt wird, es gebe keinen Grund, die Tore zu durchschreiten. Es sei ja eh nichts da, was man entdecken könne. Die sozialen Problemlagen sind ausgelagert nach Lobeda und Winzerla, der Ausländeranteil ist gering, vermissen lässt sich das Chaos von Urbanität und Vielfalt, der aufrüttelnde Effekt von Dynamik und Offenheit: nach innen wie nach außen.

Der Rest der Welt scheint kontrastiert zu sein, ad absurdum geführt, denn Eierkuchen werden mit Friede und Freude bestrichen, die Ernährung wird einseitig und fad. Eine Situation des Nicht-Entkommen-Könnens, der Unmöglichkeit, sich aus dem Weg zu gehen, sich vollständig zurückzuziehen, oder neue faszinierende Pfade einzuschlagen. Aus dem individuellen Fokus auf die nächstliegende Umgebung entsteht die Omnipräsenz einer Seifenblase, durch und durch vollgesogen mit Problemen zwischenmenschlicher Art, selbstgeschaffen, elbsterfüllend. Hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen. Doch Seifenblasen platzen gelegentlich.

Alles was drin ist, muss irgendwann mal raus. Der Überdruck steigt bisweilen kräftig und schafft Platz für freie Fahrt, freie Entfaltung, befreites Ein- und Ausatmen. Hin und wieder bahnt sich etwas seinen Weg, das eruptiv und erlöst hervorquillt, wo viele Menschen kreativ und begeistert zusammenkommen, zusammenwirken, zusammenfeiern.

Ein Gefühl, eine Botschaft über die allgegenwärtigen Hügel hinaustragend. Nicht entrinnen zu können kann zur Qualität werden, zum Vorteil einer Stadt, in der sich jeder kennt, aufeinander verlässt, wo aus Gezwungenheit Vertrauen entstehen kann, aus geografischer Enge räumliche Nähe. Ein Lokalpatriotismus mit Augenzwinkern, einem Mittelfinger, der nicht Beschränktheit, Diskriminierung, Vorurteile und Hass zeigt, sondern schlicht und einfach die Skyline der Stadt, in der ab und zu Welten im Reagenzglas aufeinander treffen. Die dabei entstehende Mixtur gehört nicht zu denen, welche im Chemieunterricht explodiert wären, sondern zu solchen, die sich erst rot, dann grün, dann blau färben.


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