Eines der musikalischen Highlights der Kulturarena 2014 zog gestern 2.200 Menschen auf den Theatervorplatz – und hunderte mehr lauschten in den umliegenden Straßen: Travis beehrten die Saalestadt.
von Robert
Ergraute Haare, ein Bart bis zum Kinn und das ganze geziert von einem Hut, der für zwei Köpfe genügen würde. Der Mann auf der Bühne hat auf den ersten Blick mehr Ähnlichkeit mit einem Landstreicher, als mit dem schelmisch grinsenden Jüngling aus früheren Musikvideos. Doch sobald Francis Healy seine unverwechselbare Stimme für ein paar Takte erklingen lässt, ist jedem klar: Travis sind zurück. Nach fast sieben Jahren musikalischer Pause haben sich die vier Schotten wieder zusammengefunden, um mit Where you stand ihr siebtes Studioalbum zu veröffentlichen. Die anschließende Tour führte die Band um den gesamten Globus – und unter anderem gestern nach Jena.
Wer bisher keine Zeit gefunden hatte, sich die aktuelle CD zu Gemüte zu führen, musste beim Konzert trotzdem nicht viel zu befürchten: Neue Song wie Reminder oder Where you stand waren eher Mangelwahre. Stattdessen ließ es sich die Band nicht nehmen, einen ihrer Radiohits nach dem anderen zu spielen: Closer, Side, Driftwood , Sing, Flowers in the Window …
Dabei glänzten Travis mit einer unglaublich soliden Performance: Neil Primrose als unverwüstliches Rhythmusfundament, Dougie Payne als groovende bassmachine, Andy Dunlop als leidenschaftlicher Gitarrenvirtuose und schließlich Francis Healy als charismatischer Entertainer-Frontmann und Sänger. Der 41-jährige Wahlberliner überbrückt jeden Patzer auf der Bühne mit einem galanten Witz, erzählt Anekdoten aus seinem Leben oder wickelt das Publikum mit Glückwünschen zur WM um den Finger. Diese locker-verspielte Attitüde war ein Charakteristikum des gesamten Abends. Die vier Musiker agierten trotz permanenter Gitarrenwechsel und striktem Zeitplan unglaublich entspannt und gelassen. Dunlop und Payne schienen immer wieder einen Moment zu finden, um sich mit ihren Bieren zuzuprosten, und wenn Healey sich in einem minutenlangen Monolog über die Entstehungsgeschichte des Songs Reoffender auslässt, wirkt weder er gehetzt noch das Publikum gelangweilt.
Man konnte den Vieren einfach anmerken, dass sie sich noch immer mögen, dass sie da oben – zwischen den etlichen Mikrofonen, den Kabeln, Boxen, Scheinwerfern – auch irgendwie zu Hause sind. Und dass Healy, Dunlop, Payne und Primrose nach über 20 Jahren vielleicht in die Jahre gekommen, aber noch lange nicht alt sind.
(Fotos: © Holger John)
Schreibe einen Kommentar