Theater in Leipzig: „Hitler bad, Ballack good!“

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Ende Mai inszeniert Rainald Grebe wieder am Centraltheater Leipzig die „WildeWeiteWeltschau“ um rassistische Klischees und touristische Superlative.  unique gibt einen Vorgeschmack.

von Frank

Weniger fehl am Platz als sonst fühlt man sich, als Mensch unter Dreißig, an diesem Abend im Theaterfoyer: Allein der Name Rainald Grebe lockt die Jugend zum Schauspiel. Zwischen Perlmuttketten und Goldbroschen tummeln sich Buttons und Patches. Das gemischte Publikum lässt auf einen ebenso farbenfrohen Abend im Centraltheater hoffen. So werden auch dem Zuschauer gleich zu Beginn „Sensationen, fremde Länder und fremde Menschen“ versprochen. Das Publikum, so wird schnell klar, schaut dabei allerdings eher in einen Spiegel als in eine Manege: Grebe lässt die Darsteller mit rassistischen Vorurteilen spielen, mit postkolonialer Überheblichkeit. Er karikiert die Sensationslust früherer Völkerschauen und heutiger Hochglanzbroschüren und hebt dabei nicht den moralischen Zeigefinger. Er stopft ihn stattdessem einfach in die offene Wunde – und der Patient lacht: Über Grebes vollmundige Ankündigungen im Stile eines Reiseveranstalters und die Superlative typischer Urlaubserzählungen, über die Folklore der seltenen „Spezies der Sorben“ oder den überheblichen Touristen, der beim Anatolienurlaub die Einheimischen als Dienstboten betrachtet („Türken nur zum Putzen“).

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Das Gelächter schallt allerdings auch dem Klischee-Asiaten entgegen, der – natürlich ohne „R“ – den Grebe-Klassiker „Blandenbulg“ anstimmt, oder dem kleinwüchsigen Darsteller, der als quängelig-brabbelnder Pygmäe verlacht wird. Etwas konsterniert fragt man sich an solchen Stellen, ob Grebe sich hier nicht verschätzt: Verwechselt er das Lachen über die Satire mit dem Lachen über das Klischee oder dessen Verharmlosung? Egal kann es ihm nicht sein, denn immer wieder holt er die kritische, nachdenkliche Komponente auf die Bühne zurück, etwa durch Videoinstallationen von hungernden Kindern, Bürgerkriegsszenen – und Reichsparteitagen. Ja, Grebe greift ganz bewusst in die Kiste der deutschen Befindlichkeiten: Er zeichnet in wilhelminischer Manier („Als wir noch Kolonien hatten…“) den sprichwörtlichen „Platz an der Sonne“ und erläutert als bundesrepublikanischer Botschafter den Unterschied zwischen guten und bösen Deutschen („Hitler bad, Ballack good!“). Auch diese bissige Gesellschaftskritik wird allerdings immer wieder gedämpft durch künstlerisch vermutlich  wertvolle Albernheiten und stellenweise grellen Slapstick. Solches Anarchotheater, im Wechsel mit der meist treffsicheren Satire, lässt die erste Hälfte des Stücks wie im Flug vergehen.

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Etwa auf halbem Weg ändert das Stück wiederum seinen Charakter: Die Darsteller legen ihre bisherigen Rollen ab, spielen sich scheinbar selbst und erzählen ihre eigenen Reisebiographien – samt Diaschau, Familienvideos und moralisch zweifelhaften Urlaubsbekanntschaften. Das menschelt zwar wunderbar, gibt dem Abend jedoch auch Längen, sobald Grebe eine Weile nicht auf der Bühne ist. Die „WildeWeiteWeltschau“ lebt von seiner Präsenz: Am Klavier schwingt er sich zu bitter-böser Hochform auf, lässt die Grenzen zwischen Kabarett und Theater verschwimmen und fühlt sich in seiner Satire sichtlich wohl. Er zeigt sich aber auch als wunderbarer Poet, wenn er allein vor einer Sternenzeltkulisse „Lonely Planet“ singt. Damit macht er Lust aufs Reisen. Und man schmunzelt: über die Beschränktheit des eigenen Horizonts – und über Grebes Talent, diese zu illustrieren.

(Fotos: © R. Arnold/ Centraltheater)

Termine für die „WildeWeiteWeltschau“ im Leipziger Centraltheater:

21.05., 29.05., 23.06., 01.07.


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