Tatsache Wahrheit – Objektivität im Radikalen Konstruktivismus

von gonzo

Am Anfang jeder Erkenntnis stehe die Wahrheitsfrage. Auf dass sie erkennt, wie die Welt wirklich ist. Wissen und Wirklichkeit korrespondieren dabei in jener Qualität, in der der Wissende die objektive Wirklichkeit abzubilden vermag. Der Radikale Konstruktivismus (RK) bricht mit dieser konventionellen Erkenntnistheorie.
Er bezieht sich dabei auf den grundlegenden Unterschied zwischen „etwas stimmt“ und „etwas passt“. Mit Übereinstimmung sei dabei ein erkanntes Wissen gemeint, das eine so erschlossene, unabhängig bestehende Realität abbildet und beschreibt.

Der geneigte Forscher erkenne beispielsweise eine physikalische Gesetzmäßigkeit, mit welcher er einen objektiven Mechanismus der uns umgebenden Welt verifiziert. Sprechen wir hingegen von Etwas, dass es „passt“, so bedeutet dies nicht mehr und nicht weniger, als dass es den Dienst leistet, den wir uns von ihm erhoffen. Isaac Newtons Gravitationstheorie z.B. dominierte bis zur Relativitätstheorie Albert Einsteins über 200 Jahre lang Philosophie und Naturwissenschaft. Und obgleich sich beide Ansätze grundlegend unterscheiden, setzte die NASA bei der mathematischen Berechnung der Mondflüge auf die weniger komplizierten Gravitationsgesetze Newtons. Beide Theorien passen. Doch welche stimmt?

Der RK spricht dabei von der sogenannte Viabilität (von lat. „via“ = „der Weg“) von Wissen. Erkenntnis sei ihrem Charakter nach rein selektiv und subjektiv determiniert. Sie erschließt zwar mehr oder minder funktionale Wege innerhalb einer Wahrscheinlichkeit, niemals aber das objektive Wesen einer außen stehenden Wirklichkeit. Innerhalb des Systems der menschlichen Existenz, der Wahrnehmung und Erfahrungen, werden kognitiv viable Strukturen konstruiert, welche diesem System der Beschränkungen nicht entsteigen können, um es von einem, sagen wir, göttlichen Standpunkt aus untersuchen zu können. Der scheinbar unbeteiligte Beobachter kann sich so seiner unmittelbaren Beteiligung nicht entziehen. Er ist ein untrennbarer Teil des Beobachteten, welches sich auch unter größter Sorgfalt als dynamische, aktive Konstruktion einer viablen Möglichkeit erweist. Nicht aber als passives „so sein“, im Sinne einer beständigen, objektiven Realität. Das kognitive Erkennen (Erschließen) bedingt und konstruiert das Erkannte erst selbst. Der Fakt (von lat. „facere“ = „tun“) ist eine Tat-Sache. Nun mag der kritische Leser vorbringen, der RK schließe sich durch seine Argumentation selbst aus, treffe er doch die scheinbar absolute Aussage, dass keine absoluten Aussagen getroffen werden könnten. Hier grenzt sich der RK aber vom sogenannten Solipsismus ab, indem er auch sich selbst als viables Konstrukt, als theoretisches Werkzeug zum Verständnis menschlicher Denkprozesse und Wissensstrukturen einsieht.

Das Fehlen der universellen, metaphysischen Gewissheit kann man dabei als negative Beschränkung verstehen oder als völlig irrelevante, transzendente Variable. Sobald Erkenntnis nicht mehr als die Suche nach ikonischer Übereinstimmung mit einer ontologischen Wirklichkeit, sondern als Suche nach gangbaren Verhaltensweisen und Denkarten verstanden wird, relativiert sich das traditionelle Problem dieses existentiellen Dilemmas. Das heißt, dass sich eine apriorische Welt nur bestenfalls dort offenbart, wo unsere Konstruktionen scheitern, wo sich unsere Hypothesen falsifizieren. Da wir dieses Scheitern aber immer nur in eben jenen begrenzenden Begriffen beschreiben und erklären können, die wir zum Bau der scheiternden Strukturen erst verwendet haben, können sie uns so gesehen niemals ein Abbild von irgendwelchen unabhängigen Gegebenheiten vermitteln, die wir für das Scheitern verantwortlich machen könnten.
Abschließend bleibt noch anzumerken, dass dieser Artikel nur einen äußerst oberflächlichen und allgemein formulierten Eindruck von den sehr vielschichtigen und umfangreich geführten Diskussionen zum RK geben konnte.


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