Die Situation der türkischen Medien
von Carola
Wie in anderen totalitären Staaten wird auch in der Türkei daran gearbeitet, die Illusion einer freien, unabhängigen Medienlandschaft aufrecht zu erhalten. Es gibt viele verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, Magazine und Radiosender, Fernsehkanäle und Medienprojekte zu diversen Themen und zu jeglicher politischer Ausrichtung.
Doch ganz so freiheitlich, wie es aussehen mag, geht es in der türkischen Medienlandschaft doch nicht zu. So befinden sich beinahe alle türkischen Zeitungen und Fernsehsender in den Händen dreier Unternehmen. Das Mächtigste ist die „Doğan Holding“. Sie publiziert Zeitungen für das gesamte politische Spektrum – von der „Radikal“ (linksliberal) über die „Cumhurriyet“ (kemalistisch) bis hin zu „Milliyet“ und „Hürriyet“ (rechtskonservativ) – gibt aber auch Boulevardblätter heraus und betreibt Fernsehsender. Die Medien der Doğan Group werden von einem Großteil der Bevölkerung gelesen und sind somit meinungsbildend. Auch ihr Einfluss auf die Regierung ist enorm.
Die deutsche Springer-Gruppe (bekannter für die „BILD“ und die „Welt“) ist Anteilshalter an der Doğan Group und arbeitet eng mit der „Hürriyet“ zusammen. Letztere ist eine der meist gelesenen türkischen Tageszeitungen sowie die größte türkischsprachige Zeitung in Deutschland (dort mit dem Untertitel „Die Türkei den Türken“). Als eine Art Gegenspieler der Doğan Group fungiert Mehmet Karamehmet, der neben dem größten türkischen Mobilfunkanbieters „Turkcell“ auch die Fernsehsender „Sky Turk“ und „Show TV“ besitzt. Mit Aydin Doğan liefert er sich einen erbitterten Kampf um die mediale Meinungsführerschaft (so werben Doğan-Medien beispielsweise nicht für Turkcell). Die wohl einzige von der Regierung unabhängige Mediengruppe ist die Doğuş Group. Ihr Sender NTV versucht wenigstens politisch neutral zu berichten.
Die restliche türkische Medienlandschaft scheint eher machtlos, seitens der Herrschenden wird sie nicht ernst genommen. Es ist recht einfach, oppositionelle Medien zu verbieten, die sich dann regelmäßig neu gründen oder umbenennen und nach spätestens einem Jahr sowieso aufgeben müssen – ein gutes Beispiel hierfür ist die „Atilim“, das Organ der sozialistischen Partei ESP. Ähnlich verhält es sich mit der auch in Deutschland verbotenen kurdischen Zeitung „Özgür Gündem“, die in der Türkei zurzeit unter dem Namen „Güncel“ erscheint. Wirklich freie Medien wie YouTube und Indymedia werden unterdrückt und verboten. Solche Internetportale lassen sich recht einfach durch Filter zensieren. Über Umwege kann trotzdem auf diese Seiten zugegriffen werden – und die werden auch genutzt.
Von unabhängigen Medien und Informationsfreiheit in der Türkei kann daher nicht die Rede sein. Themen werden vorgegeben, unliebsame Projekte verboten oder verdrängt – und das nicht nur durch die Regierung. Erinnert sei an den Mord am kritischen armenischen Journalisten Hrant Dink am 27. Januar 2007. Dink wurde in Istanbul auf offener Straße erschossen. Der vermeintliche Mörder wurde zwar festgenommen, doch wer wirklich dahinter steckt, bleibt weiterhin unklar. Die eigentlich für Aufklärung zuständigen Medien beteiligen sich an der Vertuschung der wahren Umstände und betreiben Propaganda. Journalistische Grundsätze von der Wahrung von Persönlichkeitsrechten, gründlicher Recherche, neutraler und umfassender Berichterstattung sowie der Unbeeinflussbarkeit werden regelmäßig nicht eingehalten. Das ist insofern tragisch, da türkische Medien großen gesellschaftlichen Respekt genießen und der öffentliche Diskurs vor allem vom Fernsehen bestimmt wird.
Schreibe einen Kommentar