von Cornelius Kreuzwirth
Queere Menschen existieren seit die Menschheit existiert und queere Filme existieren seit das Bewegtbildmedium existiert. Schon in den Anfängen der deutschen Filmlandschaft in den 1920er Jahren sind Filme queer lesbar gewesen, wie Salomé (Alla Nazimova, Charles Bryant, 1923), aber auch später in den 1970er Jahren fand die deutsche queere Community immer wieder zurück zum Medium Film, um aktiv mit Stereotypen und Vorurteile aufzuräumen. In den frühen 1990er Jahren formte sich der Begriff des new queer cinema (B. Ruby Rich, 1992), eine aus dem vorwiegend amerikanischen Raum kommende Independent-Strömung, bei der die queeren Filmemachenden ihre Identität als Selbstverständnis darstellten. Heute ist die Filmlandschaft der queeren Community so vielfältig wie die queere Community an sich. Zwischen Hyper-Queercore und Heartstopper (Alice Oseman, 2022) wird versucht die unterschiedlichen Lebensrealitäten und Lebensperspektiven queerer Menschen auf die Leinwand zu übertragen.
Doch die queere Community stolpert über ihre eigene Diversität. Die unterschiedlichen Ansätze in Erzählformen, Erzählstrukturen, Hauptkonflikten und Protagonist*innen führen seit Jahren zu einem sich immer weiter verhärtenden Diskurs. Für die einen sind queere Serien wie Hearstopper in Bezug auf Diversität nicht komplex genug erzählt, für die anderen führt sich der aktivistische Kampf der Gleichberechtigung und Akzeptanz im Bewegtbildmedium nur dadurch fort, mit explizit erzählter Körperlichkeit das Anderssein der Protagonist*innen zu verhandeln. Für einige wenige liegt der Weg dazwischen.
Doch eines bleibt ihnen allen gemein. Es werden Wege gesucht, wie die existierende Diversität in eine Inklusion transformiert werden kann. Denn das Bewegtbild hat die Kraft zur Bewegung, nicht nur emotional, sondern auch gesellschaftlich.
Inklusion durch komplexe queere Erzählungen
Inklusion ist für mich als queerer Filmemacher ein wichtiges Element, welches schon beim Schreiben des Drehbuches beginnt. Ein Konflikt, der einzig und allein die Andersartigkeit in Geschlecht und Sexualität der Protagonist*innen verhandelt, macht für mich keinen queeren Film mehr aus. Eine Figur kann durch ihre gequeerte Erzählweise Konflikte tiefgründiger, einzigartiger und wesentlich komplexer verhandeln. Darüber hinaus müssen wir uns beim filmischen Erzählen bewusst sein, dass es viele queere Figuren gibt, die inkludiert werden können. Es muss nicht immer der schwule Mann sein. Zur queeren Community gehören auch Lesben, Asexuelle, Bisexuelle, Intersexuelle oder Transgender jeglichen Aussehens und Alters.
Komplexe queere Erzählungen erfordern diverse Filmschaffende
Entweder baust du dein Filmteam aus queeren Filmschaffenden, die im Sinne des new queer cinema ihre eigenen Lebensrealitäten in das Projekt miteinfließen lassen oder aus Filmschaffenden, die Offenheit, Einfühlungsvermögen und Ambition mitbringen, sich diesen Lebensrealitäten anzunähern. Bei Staub ist uns die queere Erzählweise vor der Kamera nur gelungen, weil wir uns selbst mit unseren vielfältigen und teils queeren Lebensrealitäten in das Kurzfilmprojekt eingebracht haben. Dafür haben wir unter anderem direkt aus queeren Communitys gecastet. So ist es uns gelungen, die erdachte komplexe Inklusion in ein aktives Inkludieren von queeren Realitäten auszubauen.
Queere Filme nicht nur für ein queeres Publikum
Durch die lange Tradition des Filmemachens mit queeren Communitys gibt es weltweit viele Filmfestivals, die sich dem Sichtbarmachen dieser Filme verschrieben haben. Auch das Kurzfilmprojekt Staub wird ab Sommer 2024 bei verschiedenen Kurzfilmfestivals weltweit vorgeführt werden. Wir möchten dort nicht nur ein queeres Publikum erreichen, sondern mit dem Kurzfilm auch dahin, wo andere Sichtweisen auf queere Menschen vorherrschen. Wobei uns die komplex erzählte Inklusion der Diversität sehr hilft. Das Kurzfilmprojekt soll zum Diskurs anregen über Erzählperspektiven, Erzählprivilegien und die Wichtigkeit von queeren Filmen in einer vom Umbruch gezeichneten Zeit. Denn wie in Staub selbst ist am Ende alles vergänglich.