Im Sommer sind die Dinge umgekehrt. Man schlafet bei Tage und wachet in der Nacht. Von der Starre des Tages und den abgedrehten Nächten erzählen uns die beiden Texte. Sie stellen die zwei Welten gegenüber, in denen wir uns im Sommer bewegen: Des Tages Stille und seine entbrannte Nacht.
von Elsa
Juli, der Monat des Wassers. Es rinnt von der Stirn in den Nacken, meinen Rücken hinab in meine Arschritze, tropft durch meine Unterhose ins staubende Gras, das den transpirierenden Strom verdurstend absorbiert. Ich umkurve die Scherben der Bierflaschen von letzter Nacht. Die Parkfläche ist leergefegt. Die Pärchen haben sich an den Rand in die Schatten der Bäume verkrochen. Niedergedrückt vom Dunst des Tages liegen sie bewegungslos da, berühren sich nicht, um jede zusätzliche Körperwärme zu vermeiden. Zu müde, um sich die schwüle Luft zuzufächeln. Ich stelle mir vor, dass Insekten über ihre schwitzigen Körper krabbeln, ihnen das Wasser aus ihren Achselhöhlen lecken, die leichte Feuchtigkeit ihrer Klamotten, die Zecken, die sich die wärmste Hautfalte suchen, um ihnen das letzte bisschen Flüssigkeit auszusaugen, das ihnen noch geblieben ist. Wie pflanzen sich Zecken eigentlich fort? Und wo legen sie ihre Eier hin? In den Müll, so wie die Fruchtfliegen, deren Maden zu Hause unter meiner Spüle heranwachsen?
Ein Board rauscht einsam über den flirrenden Skateplatz. Der Typ hat sich sein T-Shirt ausgezogen und gegen den Sonnenstich um den Kopf gebunden. Das würde ich auch gern. In der Ferne heulen Martinshörner. Ich trete in eine Scherbe und fluche auf. Aus dem Schnitt sickert das Blut. Wann wurde ich eigentlich das letzte Mal gegen Tetanus geimpft? Als Kind bin ich im Sommer beim Spielen im Garten in einen rostigen Nagel getreten. Zehn Zentimeter war der lang – jedenfalls in meiner Erinnerung. Ich hoffe, dass der Schnitt sich nicht entzündet und humple auf meiner Hacke weiter. Die Luft zittert elektrisch. Wie eine Käseglocke hat sie sich auf das Tal niedergelassen und nimmt mir den Atem. Ich komme an einem überquellenden Mülleimer vorbei, dessen gammliger Geruch mir wie eine Faust ins Gesicht schlägt. Reste von Pommes liegen verstreut daneben, der Boden klebt von zuckriger Limonade und ranzigem Fett. Ich spucke einen Kaugummi dazu, der an der Schale eines faulenden Apfels kleben bleibt. Angekommen an der Badestelle tummeln sich eingecremte nackte Körper. Eine Masse Fleisch, die sich auf dem zu kleinen Stück Wiese ausgebreitet hat. Ich lasse mich auf einem Stein nieder und halte die Füße in den Fluss. Ein schwarzer Hund kommt neugierig angelaufen und hechelt mir ins linke Ohr, sein Sabber tropft auf meine Schulter. Ein Fisch knabbert an einer Packung Filter, die im schlammigen Wasser schaukelt. Der drittdreckigste Fluss ganz Deutschlands. Das Wasserfärbt sich von meinem Blut leicht rosa. Die Wunde pocht.
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