Oft genug ist der Medien-Hype im Vorfeld eines Films antiproportional zur Qualität, die den Kinozuschauer erwartet. Der neue „James Bond“ bildet eine erfrischende Ausnahme.
von Frank
Dass der berühmteste Geheimagent der Welt in diesem Jahr sein 50. (Film-)Jubiläum feiert, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Und auch die Erkenntnis, dass dieses halbe Jahrhundert Filmgeschichte an der Figur James Bond nicht spurlos vorübergegangen ist, dürfte nicht ganz so innovativ sein, wie sie so manche Kino-Zeitschrift aufs neue verkaufen will. Viel erfrischender dagegen ist die Art, wie SKYFALL mit den Themen Vergangenheit und Alter(n) umgeht – und den Film damit, auch jenseits des Bond-Franchise, zu einem großartigen Kino-Erlebnis macht.
Charismatiker Daniel Craig, zum dritten Mal im Dienste ihrer Majestät unterwegs, trägt nicht unwesentlich zu diesem Eindruck bei. Doch noch stärker als von seiner soliden Performance profitiert der neue „Bond“-Film von einer packenden und vielschichtigen Story, die die knapp zweieinhalb Stunden wie im Flug vergehen lässt. Ohne zuviel zu verraten: Bond muss sich – ebenso wie seine MI6-Chefin „M“ (großartig: Judi Dench) – der eigenen Vergangenheit stellen. Und beide sehen sich nicht nur einer terroristischen Bedrohung von außen gegenüber; es wachsen auch die Zweifel im Königreich an der Durchschlagskraft des althergebrachten britischen Spionage-Apparates.
Bond – ein Anachronismus?
Ein Kampf an zwei Fronten also, bei dem immer wieder die Frage aufgeworfen wird: Kann der MI6 im Allgemeinen und „007“ im Besonderen noch brauchbare Antworten auf die Herausforderungen der heutigen Zeit geben? Oder sind Bond und „M“ gleichermaßen Relikte des Kalten Krieges? SKYFALL geht mit dieser Frage jedoch ambivalenter um, als man erwarten könnte – und genau das macht die Faszination des Films aus. So wird dem sichtlich gealterten Doppel-Null-Agenten ein jungenhafter neuer „Q“ zur Seite gestellt (sympatisch nerdig: Ben Whishaw), von dem sich Bond u.a. über die Gefahren des Cyber-Terrorismus belehren lassen muss.
Neben dem gelungenen Umgang mit diesen Fragen nach Alt und Neu, ist es vor allem der Performance von Javier Bardem als Bösewicht „Silva“ zu verdanken, dass SKYFALL den Zuschauer so an den Kinosessel schraubt: Kein plumper Gewalt-Fanatiker, sondern gepflegt, beherrscht und eiskalt kalkulierend, ist dieser unscheinbar wirkende Psychopath dem Protagonisten oft genug einen Schritt voraus.
143 Minuten sind nicht genug
Noch dazu ist der Film von Regisseur Sam Mendes (u.a. Oscar-bedacht für American Beauty) ein wirklicher Genuss für die Augen – was nicht nur an den überaus attraktiven Bond-Girls (Naomi Harris und Bérénice Marlohe) liegt. Angefangen bei den künstlerisch wertvollen, überaus gelungen stilisierten Opening Credits, die alleine schon mindestens die Hälfte des Ticketpreises wert sind, über die Farbkomposition einzelner Szenen bis zu den stimmungsvollen britischen Landschaftsaufnahmen bietet SKYFALL so manch optisches Leckerli.
Der Gesamteindruck wird einzig davon getrübt, dass vor lauter Story (und Action) weniger Raum für die Charakterzeichnung mancher Figuren bleibt, als diese verdient hätten. Gerade im Falle von Bonds Gegenspieler Silva wären noch einige Filmminuten mehr gut investiert gewesen, um die Figur noch vielschichtiger zu gestalten – dann hätte er Potenzial zum Kult-Bösewicht gehabt. Doch leider verschenkt SKYFALL die dafür nötige Zeit mit ebenso kurzweiligen wie austauschbaren Verfolgungsjagden. Und auch dem Finale des Films hätte man etwas mehr Hingabe angedeihen lassen können, anstatt die aufgebaute Spannung so lustlos in die Kinospähre zu entlassen.
Dennoch: Der dritte Craig-Bond bietet großartige, actiongeladene Kino-Unterhaltung mit starker Besetzung und einer angenehmen Dosis Melancholie. Mehr davon!
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