Rainald Grebe und sein „Orchester der Versöhnung“ trafen gestern in Jena auf die ausverkaufte Kulturarena
von Frank
Es ist ein Abend – das wird schon klar, bevor Rainald Grebe überhaupt zu sehen ist –, auf dem man mit der Jenaer Demographie konfrontiert wird. Ja, es gibt in dieser Studentenstadt tatsächlich Menschen, die älter sind als 40 Jahre! Sogar eine ganze Menge von ihnen; nur hat man sie in dieser Zusammenballung wohl noch nie bei der Kulturarena angetroffen, außer vielleicht, wenn Jan Josef Liefers einlädt. Und in den kommenden Anfangsminuten von Rainald Grebes Show (die wie immer eher eine buntgemixte Revue ist, als ein Konzert im engeren Sinne) fühlt man sich denn auch ein wenig fehl am Platz. Als wäre man in eine Comedy-Version des ZDF-Fernsehgartens geraten, kombiniert mit Volksbildung a lá „heute-Show“ – Grebes neues Programm heißt schließlich nicht umsonst „Berliner Republik“.
Dass er im Grunde ein politischer Künstler ist, daran lässt Grebe keinen Zweifel – das zeigt schon zu Beginn seine (sehr ernst gemeinte) fünfminütige Tirade gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP, gegen das auch Unterschriftenlisten ausliegen. Trotzdem dominieren zunächst eher klamaukige Einlagen und Witzchen statt der spitz-hintersinnigen Texte, die sein „Rainald-Grebe-Album“ oder die Platte „Zurück zur Natur“ so hörenswert gemacht haben. Aber der Künstler tastet sich lieber an sein 3000-köpfiges Publikum heran, spult mit Thüringer Kuschelkloß und Seitenhieben auf Eichplatzbebauung oder das „kleine Dorf“ Rudolstadt seine bewährte „Ich bin doch einer von euch“-Masche ab. Jena, das ist schließlich immer irgendwie ein Heimspiel für den Alumnus des Theaterhauses.
„Steht auf, wenn ihr Thüringer seid!“
Anbiedern ist bald nicht mehr nötig, denn nach etwa einer Dreiviertelstunde hat sich Grebe warmgelaufen in seiner intelligenten Spitzbübigkeit. Endlich findet er den Rhythmus zwischen Lieder, Zoten und anekdotenreicher Moderation. Doch auch der Biss von Songs wie „Prenzlauer Berg“ oder „Oben“ reißt das Publikum nur selten so mit wie seine Kabarett-Witzchen. Was er an diesem lauen Sommerabend parallel montiert sind ein Konzert für Fans und eine allgemeinverträgliche Comedyshow.
Dann aber werden neue Songs wie „Handwerk“ oder „Loch im Himmel“ auch vom breiten Publikum gefeiert. Die Kostproben des neuen Albums erweisen sich jenseits aller Comedy als musikalisch ebenso anspruchsvoll wie großartig. Jena goutiert es mit überaus freundlichem, teils auch begeistertem Applaus.
Zum Mitsingen scheint allerdings niemand so richtig aufgelegt zu sein… außer natürlich bei „Thüringen“. Bis zur zweiten Zugabe lässt Grebe das Volk warten; dann dirigiert er ein langes „üüüüüü“ auf dem ausverkauften Theatervorplatz. Und wundert sich – man mag es ja tatsächlich kaum glauben – dass immer noch nicht jeder dieses Lied kennt. Aber sicher war es nicht Jenas letzte Gelegenheit, mit Grebe die Landeshymne zu singen.
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