Am Samstagabend wurden die Gewinnerfilme des 15. cellu l’art-Festivals ausgezeichnet: ein feierlicher Abend, der glückliche Filmemacher und das ein oder andere betroffene Gesicht hervorbrachte.
von Frank
Die Preisverleihung am Festival-Samstag kann jedes Jahr wohl als das Highlight von Jenas Kurzfilmfestival gelten. Eine Woche voller Neugier und Filmbegeisterung geht für das Publikum zu Ende – und die Veranstalter können auf die Früchte ihrer monatelangen Arbeit zurückblicken. Wie sein großer Bruder, der Langfilm, hat sich nun allerdings der Kurzfilm nicht in jedem Fall strahlende Gesichter als Ziel gesetzt. Daran erinnerten die Jury-Entscheidungen beim cellu l’art in diesem Jahr besonders nachdrücklich.
Die aus Jenaer Schülern zusammengesetzte Jugendjury machte den Anfang: Unter den drei Nominierungen fanden sich allesamt nachdenkliche Filme; ausgezeichnet wurde schließlich der belgische Spielfilm Baghdad Messi des Regisseurs Sahim Omar Kalifa. Das im Irak des Jahres 2009 angesiedelte Drama begleitet den beinamputierten 10-jährigen Jungen Hamoudi (eindrucksvoll gespielt von Ali Raad Al-Zaydawi), der mit seinen Freunden dem Champions-League-Finale entgegenfiebert. Dazu muss allerdings zuerst der Fernseher in die Stadt zur Reparatur – beim von Anschlägen gebeutelten Baghdad eine große Gefahr zugunsten der kleinen Fußballfreuden.
Bei der anschließenden Vergabe des „Jenaer Filmpreises für Toleranz“ hatten Jugend- und Fachjury gemeinsam den Gewinner bestimmt. Gestiftet von Jenaer Oberbürgermeister Schröter, wurde dieser Preis nun zum dritten Mal vergeben, um sozial und politisch ambitionierte Filme auszuzeichnen. Als anwesender Vertreter der Stadt lobte Benjamin Koppe, stellvertretender Vorsitzender des Stadtrates, diesen Ansatz und würdigte das ehrenamtliche Engagement des cellu l’art e.V., dessen Mitglieder in jedem Jahr die Kulturszene Jenas mit dem Festival bereicherten. Den Preis erhielt She comes in Spring der Regisseurin Antoneta Kastrati, in dem ein serbischer Vater von seiner dunklen Vergangenheit im Kosovokrieg von 1999 eingeholt wird. Hier zeigte sich langsam: Es wird nicht gerade ein Abend für die zarten Gemüter.
Eine Art ‚Dreifaltigkeit’ des Krieges
Es schlossen sich die zwei Preise der Fachjury an: der für den besten Experimental-, Animations- oder Dokumentarfilm (kurz „ExAnDo“) sowie der Preis für den besten Kurzspielfilm. Erstere Auszeichnung ging an die US-amerikanische Dokumentation Not Anymore: A Story of Revolution. Der Film, produziert vom Regisseur Matthew VanDyke und der syrischen Journalistin Nour Kelze, gibt „denen, die sonst nur als ‚syrische Rebellen’ bezeichnet werden, ein Gesicht und eine Stimme“, wie es in der Begründung der Fachjury hieß. In der Tat beeindruckte Not Anymore mit dokumentarischen Aufnahmen aus der blutig umkämpften syrischen Stadt Aleppo, deren Straßen man sonst nur aus verwackelten Handy-Videos kennt. Es sind die Bilder junger Menschen – Teenager teilweise – die gegen das Assad-Regime kämpfen. Und es sind Botschaften der Verzweiflung, weil ihnen die Welt nicht hilft. Produzentin und Protagonistin Nour Kelze berichtet im Film von Folter, vom Tod ihrer Freunde auf den Straßen; dennoch – oder gerade deswegen – habe sie keine Angst vor dem Tod. Aber sie wolle, dass die Welt sieht, was in Syrien geschieht. Es sind die wohl aufwühlendsten Bilder dieser Preisverleihung.
Den Preis für den besten Spielfilm vergab die Fachjury anschließend an den bereits von der Jugendjury ausgezeichneten Baghdad Messi. Regisseur Sahim Omar Kalifa zeigte sich in einer Videobotschaft geehrt und zu Späßen aufgelegt, konnte er sich doch über gleich zwei Auszeichnungen freuen.
Schließlich blieb der mit Spannung erwartete Publikumspreis, dessen Gewinner durch die Bewertungen der Zuschauer an den zurückliegenden Tagen ermittelt wurde. Hier wurde es dann doch noch witzig, denn die niederländische Komödie 97 % hatte das Rennen um die Gunst des Publikums für sich entschieden. In Zeiten der verbreiteten Smartphone-Hörigkeit konnten wohl die meisten sich irgendwie in der Hauptperson wieder erkennen, die – auf der Suche nach der großen Liebe – erstmal Handyempfang finden muss.
Die ansonsten ja eher betretene Grundstimmung dieses Filmabends griff auch Festivalchef Christoph Matiss in seinen Abschlussbemerkungen auf. Geschätzt werde der Kurzfilm als „Medium, das immer wieder zum Nachdenken anregt“ – ein Grund, warum sich das cellu l’art eben als ein ernsthaftes, auch politisches Festival verstehe.
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