Die Entwicklung einer demokratisch-pluralistischen Medienlandschaft steckt im Irak noch immer in den Kinderschuhen. Das deutsche Auswärtige Amt fördert eine Einrichtung, die den lokalen Journalisten bei der Professionalisierung helfen soll.
von Makito
Seit dem Irak-Krieg und dem Fall des Saddam-Regimes versucht sich der Irak am Aufbau einer nachhaltigen Demokratie. Dennoch fehlt ein wichtiger Aspekt, um eine Gemeinschaft zu bilden, die auf Meinungsvielfalt, Wahrheit und Diversität aufbauen soll: das Verständnis der dortigen Presse. Viele Medienhäuser sind abhängig von den finanziellen Zuwendungen der Parteien. Im Gegenzug erhalten die Parteien das, was sie bei ihren Wahlkämpfen benötigen: eine gute Publicity, verbreitet von Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen.
In der Weltrangliste der Pressefreiheit der NGO „Reporter ohne Grenzen“ steht der Irak mit Platz 150 neben Birma, Türkei und Russland noch sehr weit unten. In Zusammenarbeit mit der Nichtregierungsorganisation MICT (Media in Cooperation and Transition) hat das Auswärtige Amt die Media Academy im Irak gegründet. Sie soll mit Workshops, Seminaren und dem technischen Know-How helfen, die Journalisten professionell auszubilden. Wir sprachen mit der Projektleiterin Maral Jekta:
unique: Wo genau liegen die Probleme der irakischen Medienhäuser bei der Berichterstattung?
Jekta: Obwohl die Medienlandschaft seit dem Sturz der Baath-Regierung in 2003 rasant expandiert ist, wird die Freiheit der Medien von verschiedenen Seiten her eingeschränkt. Zum einen ist das Gros der irakischen Medienhäuser von politischen bzw. konfessionellen Gruppierungen und Parteien abhängig. Das führt dazu, dass öffentliche Debatten einseitig und emotional gefärbt sind. Grob lassen sich dabei Parteimedien von staatlichen Sendern und von unabhängigen Medien unterscheiden: Während die sehr große Gruppe der Parteimedien sich entweder im Besitz von Parteien befinden oder von diesen kontrolliert werden, bewerben staatliche Sender wie Al Iraqiya die Arbeit und die Errungenschaften der Regierung. Dabei war das Iraqi Media Network, zu dem auch Al Iraqiya gehört, 2003 mal als Dachorganisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegründet worden, wurde dann aber sukzessive unter Regierungskontrolle verschoben. Zwar schaffen es einzelne kommerzielle Medien, sich mit Werbeeinnahmen und anderen Finanzierungsmodellen am Medienmarkt zu behaupten. Gegenüber den Staats- und Parteimedien ist ihre Präsenz allerdings gering ausgeprägt.
Zudem müssen private Medienhäuser, die öffentlich Kritik am Regierungsstil Nuri al-Malikis ausüben, mit scharfen Sanktionen rechnen. So behält sich die Regierung z.B. das Recht vor, bei Anstiftung zu sektiererischer Gewalt einzugreifen, aber definiert nicht, wann solch ein Fall vorliegt. Dieser Vorwurf diente erst in April dieses Jahres dazu, zehn regierungskritischen Satellitensendern, die alle sunnitisch ausgerichtet waren, die Sende-Erlaubnis zu entziehen.
Neben diesen Problemen sind mangelnde journalistische Qualifikation, fehlender Berufsethos und Defizite in Medienmanagement und Finanzierungskonzeption Probleme, mit denen irakische Medienhäuser bis heute zu kämpfen haben.
Wo setzt Ihre Medien-Akademie an und wie sieht ihre Arbeit aus?
Die Akademie bietet in allen Teilen des Landes Fortbildungen und Beratungen an, die individuell auf die Bedürfnisse von Medienhäusern und Journalisten abgestimmt sind. Das Ziel ist es, sowohl die journalistische Qualität als auch die ökonomische und inhaltliche Unabhängigkeit der Medienhäuser im Irak nachhaltig zu unterstützen und zu fördern. Dabei verfolgen wir zwei unterschiedliche Ansätze: Wir bieten einerseits landesweit Seminare an, an denen Journalisten gegen geringe Gebühren teilnehmen können, und andererseits Inhouse-Schulungen, an denen nur Mitarbeiter eines Senders oder einer Zeitung teilnehmen.
Unser Lehrangebot richtet sich dabei am Gesamtprozess der Medienproduktion aus und umfasst auch Komponenten wie Öffentlichkeitsarbeit, Personalplanung und den Aufbau von Redaktionsstrukturen. Inhaltlich adressieren wir neben journalistischen Themen auch Ton- und Lichttechnik, Grafik und verschiedene Bereiche des Managements.
Ein Alleinstellungsmerkmal der Medienakademie ist die Einführung von Gebühren für die Inanspruchnahme von Fortbildungsangeboten. Bisher sind solche Angebote im Irak immer umsonst zu haben gewesen, was zu einer gewissen Geringschätzung von Qualifizierung geführt hat und daneben auch eine Kultur des „Workshop-Tourismus“ unter einer ganzen Generation von Journalisten hervorgebracht hat. Die Lernangebote wurden daher nicht wirklich ausgeschöpft. Durch die Errichtung einer Gebühr möchten wir auch dazu beitragen, dass die Fortbildung ernst genommen wird.
Sie versuchen natürlich auch außerhalb des Iraks Journalisten mit ihrer Arbeit zu erreichen. Wie schätzen Sie etwa die Medienhäuser in Syrien ein?
Die Medienakademie im Irak ist ein Projekt der in Berlin ansässigen Medienentwicklungsorganisation Media in Cooperation and Transistion (MICT). MICT hat zwischen Dezember 2012 und Februar 2013 das Projekt „Media Mentors – Support for Syrian Media Makers“ implementiert. Die Medienakademie hingegen konzentriert sich hauptsächlich auf den Irak, auch wenn im Rahmen des Projekts syrische Journalisten ausgebildet wurden.
Wie im Irak unter der Saddam-Regierung sind auch syrische Massenmedien bis zum Ausbruch der Unruhen entweder in staatlichem Besitz oder unter staatlicher Kontrolle gewesen. Mittlerweile gibt es eine breite Präsenz oppositioneller Medien unterschiedlichster Herkunft. Besonders im Internet sind neu entstandene syrische Mediengruppen aktiv. Das Netz dient dabei vor allem der Berichterstattung, der Vernetzung mit Gleichgesinnten im In- und Ausland und politischen Kampagnen gleichermaßen. Mittlerweile gibt es auch Zeitungen, die im Untergrund oder aus dem Ausland arbeiten. Vereinzelt werden die Zeitungen sogar im Inland gedruckt und vertrieben. Radio-Amateure betreiben erfolgreich Internet-Radio oder senden aus Anrainerstaaten nach Syrien.
Tatsächlich entwickelt sich inmitten von Gewalt eine neue Form der Interaktion zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, der Öffentlichkeit insgesamt und einer Vielzahl von Interessengruppen. Gleichzeitig muss man sich bewusst sein, dass gerade in Situationen, in denen bewaffnete Konflikte ausgetragen werden, Medien als Instrument für Manipulation und Polarisierung zum Einsatz kommen. Die systematische Ausgrenzung ausländischer Journalisten führt zudem dazu, dass man bei der Berichterstattung im Ausland auf anonyme Quellen angewiesen ist, deren Glaubwürdigkeit nicht bewiesen ist.
Wie stehen die zwei herrschenden Parteien, vor allem im kurdisch verwalteten Erbil, der Medienakademie gegenüber?
Natürlich sind wir auf die Akzeptanz der Regierung in Irak-Kurdistan angewiesen. Deswegen sind wir auch seit der Gründung der Akademie im Jahr 2011 im Gespräch mit irakischen Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen sowie Gewerkschaften. Darüber hinaus werden wir im Jahr 2013 auch Fortbildungskurse für Mitarbeiter der Regierung im Bereich Öffentlichkeitsarbeit anbieten. Das wurde uns auch von den irakischen Journalisten nahegelegt, die unter der schlechten Qualität der Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien leiden.
In Irak-Kurdistan gibt es nur sehr wenige unabhängige Medien; mit wenigen Ausnahmen werden Medien von den zwei großen Regierungsparteien entweder betrieben oder kontrolliert: Sowohl die Patriotische Union Kurdistans (PUK), die in der Provinz Sulaimaniya vertreten ist, als auch die Kurdische Demokratische Partei (KDP), die in den Provinzen Erbil und Dohuk regiert, betreiben mehrere Medienhäuser. Auch Parteikonflikte werden vorrangig in den Medien ausgetragen.
Durch unsere Fortbildungen versuchen wir, die Mitarbeiter der Medienhäuser für das Problem der Parteilichkeit zu sensibilisieren und hier sozusagen bottom-up ein Veränderungspotential zu mobilisieren.
Auch nach dem Wegfall von Saddams Regime scheinen Strukturen der Gesellschaft immer noch korrumpiert zu sein. Kann eine bessere Berichterstattung der Medien auch das Denken der Menschen verändern?
In funktionierenden Demokratien übernehmen Massenmedien eine Kritik- und Kontrollfunktion in der Gesellschaft: Ihnen obliegt es, gesellschaftspolitische Entwicklungen zu hinterfragen, auch zu kritisieren, Alternativen aufzuzeigen, zu informieren und zur Meinungsbildung beizutragen. Leider ist der Irak auch zehn Jahre nach der Invasion noch keine Demokratie. Vielmehr droht das Land infolge starker Spannungen zwischen dem schiitischen Regierungschef Nuri al-Maliki und der sunnitischen Opposition in einem Bürgerkrieg zu versinken. Eine ausgewogenere Berichterstattung könnte dazu beitragen, diesen Konflikt zu entschärfen. Dafür müssten die Medien ihre Funktion als vierte Gewalt im Staat wahrnehmen – und Debatten nicht entlang ethnischer und konfessioneller Trennlinien führen. Doch im Irak ist man gegenwärtig leider noch weit davon entfernt.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Jekta.
(Fotos: Media Adademy)
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