Träume, Betrug, Armut und natürlich Fußball

„Die Tomate ist, anders als der Wal, das Huhn und die Japaner, eine Pflanze.“ (Szene aus „Ilha das Flores“)

Am Donnerstagabend zeigte das cellu l’art fünf brasilianische Kurzfilme im Länderschwerpunkt Brasilien.

von Szaffi

Die Kurzfilme des Länderscherpunktes sind richtige „Leckerbissen“ für die Filmliebhaber – in diesem Fall international erfolgreiche Klassiker des brasilianischen Kurzfilms der 80er und 90er Jahre. Sie erzählen auf verschiedene Art und Weise über das Leben in Brasilien.
In Truques, xaropes e outrosartigos de confiança („Tricks und Träume“) etwa folgt der Zuschauer dem Kampf um Geld eines Teddybär-Verkäufers auf den Straßen von Rio. Der Film hinterlässt die Frage: ist Ehrlichkeit überhaupt noch ein Tugend in unser Zeit? Der Film Barbosa erzählt rückblickend aus der Perspektive des Hauptdarstellers die Niederlage der brasilianischen Nationalelf im WM-Finale 1950: Er hat das Spiel als Kind erlebt, seitdem kann er das Ergebnis nicht verkraften. Er versucht die Zeit zurückzudrehen, und den Fehler des Torwarts Moacir Barbosa, der seitdem als Sündenbock betrachtet wird, zu korrigieren. Aber was geschehen ist, ist nicht zu ändern.
O Dia em Que Dorival Encarou a Guarda
(„Der Tag, an dem Dorival mit der Wache konfrontiert wurde“) hat als Kurzfilm mehrere Preise gewonnen, etwa beim Gramado Film Festival oder dem Iberoamerican Film Festival. In einer heißen Nacht hat ein Gefangener nur einen Wunsch: eine Dusche zu haben. Zwischen ihm und seinen Wunsch stehen die Dummheit und die Ängste einer versteiften Struktur.
Das stärkste Stück des Abend neben O Dia em Que Dorival Encarou a Guarda war Jorge Furtados Ilha das Flores („Blumeninsel“); ein preisgekrönter Kurzfilm, der verschiedene visuelle Elemente verwendet: Gemälde, Zeichnungen aus Lehrbüchern, Realbilder sowie filmisches Archivmaterial. Schon der Anfang kündet eine Art Lehrfilm an. Im Vorspann kann man lesen:„Das ist kein Spielfilm“ – und tatsächlich spielt Ilha das Flores mit der Ironie der Sachlichkeit und der exakten Fachsprache von Lehrbüchern. Der Kommentator berichtet präzise und sachlich: „Die Japaner unterscheiden sich von den anderen Menschen durch die Form ihrer Augen, die schwarzen Haare und eigene Namen – dieser Japaner heißt Suzuki. Menschen sind Säugetiere, Zweifüßer, die sich von anderen Säugetieren und Zweifüßern unterscheiden durch ihr hoch entwickeltes Vorderhirn und Daumen-Opposition. Das hoch entwickelte Vorderhirn erlaubt den Menschen, Informationen zu speichern, zu verbinden und zu verstehen. Die Daumen-Opposition erlaubt ihnen eine präzise Handhabung. Mit der Kombination dieser zwei Merkmale konnte der Mensch unzählige Verbesserungen auf seinem Planeten vornehmen, unter anderem Tomaten anbauen. Die Tomate ist, anders als der Wal, das Huhn und die Japaner, eine Pflanze.“ Durch das marktwirtschaftliche „Schicksal“ der Tomate werden leidenschaftslos menschliches Leiden und Not dargestellt. Die angebaute Tomate landet nämlich auf der Mülldeponie von Porto Alegre – für die Menschen aus den Favelas der ‚Supermarkt der Armen‘, wo sie sich hauptsächlich vom Müll anderer ernähren. Der sachliche Ton, der bisher nur als irreführend und ironisch erschien, wird in diesem Punkt empörend. Aber niemand empört sich darüber. Das bleibt für den Zuschauer.

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