Über ausgefallene Metaphern der „metaphysical poets“ schreibt Thomas Honegger, Professor für Anglistische Mediävistik an der FSU Jena.
Sprache kann mehr als ‚nur’ Informationen vermitteln. Sprache kann erfreuen, ergötzen, begeistern, bewegen – und unseren Blick auf altbekannte und kaum mehr richtig wahrgenommene Dinge neu schärfen. Chesterton hat dies, in Anlehnung an Charles Dickens, den ‚moor-eeffoc’ Effekt genannt. Damit meinte er die Bewusstwerdung der Fremdheit altbekannter Dinge, wie eben die Aufschrift ‚coffee-room’ eines Kaffees auf der Glastür von innen gesehen zu ‚moor-eeffoc’ wird. Diese ‚Verfremdungstechnik’ zur Wiedererlangung eines geschärften Blicks ist natürlich älter als Dickens. So hatten die ‚metaphysical poets’ des 17. Jahrhunderts (Donne, Marvell, Vaughan, Cowley etc.) eine Tendenz, ihr Publikum mit ausgefallenen Vergleichen und Metaphern zu überraschen und Lebensbereiche miteinander zu verknüpfen, die man normalerweise getrennt betrachtet. Berühmt sind John Donnes Vergleiche zweier liebender Herzen als die beiden Schenkel eines Zirkels oder die Vereinigung des Bluts der Liebenden in einem Floh, der beide gebissen hat – wobei weder damals noch heute Zirkel oder Floh zum Standardrepertoire der Liebesgedichtmetaphern gehörten bzw. gehören, auch wenn man verliebten Dichtern gegenüber wohl eine gewisse ‚Metapherntoleranz’ zeigen muss.
Noch befremdlicher wirken die Vergleiche und Bilder, die wir in der altenglischen und altnordischen epischen Dichtung antreffen. Schiffe werden zu ‚Wellenhengsten’, die Laute zum ‚Freudenholz’, das Schwert zur ‚Schlachtflamme’, das Meer zur ‚Walstraße’ oder zum ‚Schwanenweg’. Die altnordischen Dichter haben diese poetischen Umschreibungen theoretisch reflektiert und dem Phänomen einen Namen gegeben, der seither auch außerhalb des ursprünglichen Geltungsbereich verwendet wird: Kenning. Nebst den ‚durchsichtigen’ Kenningar (wie die altnordische Pluralform korrekt lautet), zu denen die obenstehenden Beispiele zählen, trifft man solche, die ein spezifisches Fachwissen zur Auflösung voraussetzen. So wird der nordische Gott Thor oftmals als ‚Riesentöter’ bezeichnet. Hier braucht es für die korrekte Auflösung des Kennings eine entsprechende Kenntnis der nordischen Mythologie in der Thor für seine Feindschaft mit den Riesen bekannt war. Ähnliches gilt für die Kenningar ‚Rabenfütterer’ und ‚Zerstörer des Hungers des Adlers’ – beides poetische Ausdrücke für ‚Krieger’. Um diese Ausdrücke zu verstehen, sollte man wissen, dass in der germanischen Dichtung der Wolf, der Rabe und der Adler als ‚Tiere der Walstatt (= Schlachtfeld)’ galten, d.h. als die Aasfresser, die sich nach der Schlacht an den Leichen der Gefallenen gütlich taten. Ein Krieger, der seine Gegner in der Schlacht tötet, wird somit zum ‚Rabenfütterer’ bzw. ‚zerstört’ den Hunger des Adlers indem er ihnen die Leichen der Feinde zum Fraß überlässt.
Leider geriet dieses doch sehr spezielle Element der germanischen Dichtung mit dem Siegeszug der romanischstämmigen Poesie in Vergessenheit – heutzutage käme niemand mehr auf die Idee die Universitätsdozenten als ‚Studentenhirnfütterer’ oder ‚Zerstörer der Unwissenheit/Ungebildetheit’ zu bezeichnen. Schade, denn es würde den Blick für gewisse strukturelle Fehlentwicklungen schärfen und gerade im universitären Rahmen darauf hinweisen, dass die Dozenten eigentlich nicht primär als ‚die mit dem Waschbären (aka Friedolin) Kämpfenden’ bekannt sein sollten.
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