Rezension: Zwischen Auflehnung und Resignation

Ein Reportage-Comic beleuchtet das Privat- und Liebesleben iranischer Zwanzig- bis Dreißigjähriger. Ein Porträt der iranischen Jugend gelingt dabei aber nur bedingt.

von Frank

Zwar wird Irans Präsident Hassan Rohani häufig als Reformer betitelt, doch ist die Jugend Irans heute wirklich freier, als vor dem Amtsantritt des Nachfolgers von „Hardliner“ Mahmud Ahmadinedschad? Die klare Grundthese des Comics Liebe auf Iranisch in einem Wort: nein. Jane Deuxard – hinter diesem Pseudonym verbirgt sich ein französisches Journalisten-Paar – sind mehrfach illegal in den Iran gereist, um Erfahrungsberichte vor Ort zu sammeln. Während Ahmadinedschads zweiter Amtszeit, nach dem Amtsantritt Rohanis und erneut nach Unterzeichnung des Atomabkommens im Juli 2015 besuchten sie das Land und sprachen heimlich mit iranischen Zwanzig- bis Dreißigjährigen. Ihre Gespräche verarbeiteten sie nun als eine Reportage in Comicform. Sie treffen Gila, Omid, Vahid, Soban und andere; in der Hauptstadt Teheran; in Mashhad, dem religiösen Zentrum und der zweitgrößten Stadt des Landes, oder in der Hafenstadt Bandar Abbas im Süden am Persischen Golf.
Ja, dabei wurde natürlich auch über Politik gesprochen. Doch wie der Titel von Liebe auf Iranisch schon andeutet, sollte es nicht, wie so häufig, in erster Linie um Religion und Politik gehen, sondern um Aspekte des Privaten, auch des Intimen: Flirten, Verbot von Sex vor der Ehe, arrangierte Ehen, streng wertkonservative Eltern – wie lässt sich so etwas wie ein Liebesleben trotz alldem, trotz des Regimes und der strengen Traditionen im Alltag bewerkstelligen? Wie riskant kann es sein? Wie verliebt man sich, wenn man keine Chance hat, sich wirklich kennen zu lernen?
Die meisten dieser Themen sind nicht unbekannt und längst nicht nur im Iran anzutreffen. Nichtsdestotrotz fallen die Unterhaltungen in Liebe auf Iranisch aber doch immer wieder auf das Regime und die Religion zurück. Einige der jungen Menschen haben resigniert, den Glauben an eine Veränderung verloren, nachdem die Proteste der „Grünen Revolution“ 2009 gewaltsam niedergeschlagen wurden. Manch einer wendet sich ab vom Regime, von der Religion oder gar der eigenen Familie. Doch auch der Rückzug ins private (Liebes-)Glück ist nicht so leicht, wenn immer die Angst mitschwingt, von der kontrollwütigen Schwiegermutter überwacht oder von Freunden für den verbotenen Alkohol auf der Party denunziert zu werden.
Andere Gesprächspartner von Jane Deuxard geben sich bewusst trotzig, auch rebellisch. Liebe auf Iranisch zeigt auch selbstbewusste junge Frauen. Und natürlich spielt bei jungen Menschen der Reiz des Verbotenen eine gewisse Rolle – selbst wenn es nur darum geht, ausländische Sender und Serien zu schauen. Das geschieht natürlich im Verborgenen, hinter vorgehaltener Hand oder verschlossenen Türen, genau wie die Gespräche mit den beiden ausländischen Journalisten – teils sehr intime, auch sehr wütende Gespräche. Es drängt sich allerdings mitunter der Verdacht auf, dass Jane Deuxard ganz klar wussten, wonach sie suchten – oder nur die Gespräche verarbeiteten, die zu ihrer These passen: Konservativere Einstellungen sowie junge Leute außerhalb der Großstädte werden gar nicht portraitiert. Die ausdrucksstarke Bebilderung, die allerdings bisweilen in plakative Symbolik verfällt, verstärkt diesen Eindruck noch.
Unabhängig davon zeigt dieser Comic aber deutlich: Die junge Generation findet auch in einem noch so repressiven System immer Nischen, um sich auszuleben – manchmal durch offenen politischen Protest, manchmal durch versteckte Liebe.

Jane Deuxard (Autoren) & Zac Deloupy (Zeichnungen):
Liebe auf Iranisch
Splitter Verlag 2017
144 Seiten
19,80 €


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