„Mit Austausch dem drohenden Protektionismus entgegenwirken“

Wolfgang Tiefensee auf dem Campus in Berkeley (Foto: © TMWWDG, Liesa Johannssen-Koppitz)
Wolfgang Tiefensee auf dem Campus in Berkeley (Foto: © TMWWDG, Liesa Johannssen-Koppitz)

Thüringens Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee besuchte im Februar die USA und traf sich u.a. in Berkeley mit Studierenden und Universitätsvertretern.Wir hatten anschließend die Gelegenheit, ihm einige Fragen zu seinen Eindrücken zu stellen.

unique: Herr Minister, welche Eindrücke wurden Ihnen von den deutschen Studierenden vor Ort mitgegeben?
Tiefensee: Mit den beiden Studenten aus Jena, die auch unseren Rundgang über das Universitätsgelände begleiteten, habe ich mich intensiv über das Procedere der Immatrikulation, über die hohen Anforderungen an die Studierenden und die vorbildliche Interdisziplinarität und die starke Kooperation mit der Wirtschaft ausgetauscht. Im Übrigen lobten sie vor allem die ausgezeichneten Studienbedingungen in Berkeley – beide sahen es als große Chance und Bereicherung, einen Teil ihres Studiums hier verbringen zu können.

Der Anteil deutscher Studierender an der Gesamtzahl internationaler Studierender in Berkeley ist nicht besonders hoch. Was denken Sie, was der Grund dafür ist – und sollte es sich ändern?
Die Gründe sind vielfältig. Die Universität ist hochangesehen und damit natürlich als Kooperationspartner sehr begehrt. Es hängt sicher von den jeweiligen Kooperationsverträgen ab, die die Universitäten miteinander eingehen und davon, wie sie mit Leben erfüllt werden. Papier ist geduldig, notwendig ist ein intensiver Austausch mit Kontinuität und langem Atem! In jedem Fall bin ich froh, dass mit der Universität Erfurt und der FSU Jena intensive Austauschbeziehungen zur Universität Berkeley bestehen, im Falle der FSU bereits seit vielen Jahren. Alle Thüringer Hochschulen unterhalten insgesamt knapp einhundert Kooperationsbeziehungen mit US-amerikanischen Universitäten, ein schöner Beleg dafür, dass der internationalen Ausrichtung hierzulande ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Ich begrüße das ausdrücklich.

US-Universitäten, besonders in Kalifornien, sind für ihre links-liberale Campus-Kultur bekannt. Haben Sie bei Ihrem Besuch eine aktive Zivilgesellschaft gegen die Politik der Trump-Regierung erlebt?
Ja, wir haben direkt bei unserer Ankunft am Flughafen von San Francisco die Proteste gegen das Einreiseverbot Trumps erlebt, das ja nun Gott sei Dank vorerst gestoppt ist. Gerade die Universität Berkeley ist für ihre Liberalität und ihre Stärke bekannt, das politische Geschehen zu thematisieren. Erinnert sei an die Initialzündung in den politischen Debatten der 60er Jahre, die von hier ausgingen. Können wir für Deutschland daraus lernen? Mischen sich unsere Hochschulen genügend in den gesellschaftspolitischen Diskurs mit ihrem Sachverstand ein? Es hat mich sehr gefreut zu hören, dass zahlreiche Studenten aus Berkeley bei den Demonstrationen am Flughafen San Francisco dabei waren.

Sehen Sie eine potenzielle Gefährdung für den internationalen Wissenschaftsaustausch durch die neue US-Regierung unter Präsident Trump?
Bei unserem Besuch in Berkeley, Stanford und der University of Southern California in Los Angeles haben unsere Partner immer wieder betont, dass sie Trumps politische Agenda und seine Umgangsformen genauso ablehnen wie wir. Und gerade deswegen wurde immer wieder der Wille zur Zusammenarbeit betont. Deutschland ist nach wie vor ein interessanter, wichtiger und zuverlässiger Partner. Ich bin überzeugt, dass das so bleibt und wir mit einem vielfältigen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Austausch dem drohenden Protektionismus entgegenwirken können.

Wie schätzen Sie den Wert des Jenaer Austausches mit der Uni Berkeley für den Wissenschafts- und Fachkräftestandort Thüringen ein?
Der Austausch von Wissen ist von unschätzbarem Wert und immer gewinnbringend, vor allem mit einer so renommierten Universität wie Berkeley. Umso mehr freut es mich, dass die FSU hier eine wirklich lebendige und lang andauernde Partnerschaft pflegt. Vor allem im naturwissenschaftlichen Bereich ist Berkeley wegweisend und international anerkannt. Zudem haben beide Universitäten viele Schnittmengen in den Forschungsthemen. Studenten und Wissenschaftler ziehen daraus vielfältig Gewinn. Und letztendlich profitiert Thüringen durch gut ausgebildete Fachkräfte, die über den Tellerrand Deutschlands geschaut und sich international umgetan haben.

Welche Ideen nehmen Sie nach der USA-Reise mit in Bezug auf die Innovations- und Zukunftsfähigkeit der Thüringer Hochschulen?
Imponiert hat mir die enge Verknüpfung der Universitäten Berkeley und Standford mit der Wirtschaft vor Ort. Sie bestand von Anfang an und war initial für die Gründung beider Einrichtungen. Durch diese enge Bindung werden die Absolventen fest an die Region gebunden und lernen früh, was Innovation und Unternehmertum ganz praktisch bedeuten. So entsteht eine win-win-Situation: Die Wissenschaft ist am Puls der Zeit, kennt die aktuellen Herausforderungen der Wirtschaft und lässt sie in Lehre und Forschung einfließen. Andererseits profitieren Unternehmen von den fundierten Ergebnissen der Forschung, sind mit Produkten, Produktionsprozessen und Geschäftsmodellen auf dem höchsten Stand. Sicher kann man Thüringen nicht mit dem Sillicon Valley vergleichen, eine plumpe Übertragung nach Thüringen wäre der falsche Weg. Aber wir sollten uns unsere amerikanischen Partner zum Vorbild nehmen und deren Vorgehensweise mit unseren Stärken verbinden.

Herr Minister, wir danken Ihnen herzlich für das Interview.


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