Gastbeitrag: Bunte Zeitmaschine

Auch mehr als 45 Jahre, nachdem die Beatles sich aufgelöst haben, erfreuen sich ihre Songs ungebrochener Beliebtheit – so wie auch das Beatles-Museum in Halle, das gleichzeitig das weltweit größte seiner Art ist. Ein Ortsbesuch.

von Alexander Kullick

„Get Back, Get Back, Get Back to where you once belonged“ – Paul McCartneys eingängige Stimme ertönt beim Eintreten durch den im Hinterhof liegenden Eingang in das im Jahre 2000 eröffnete Beatles-Museum am Alten Markt in Halle an der Saale. Egal wo man hinschaut, der Blick bleibt sicher auf einem der vielen Beatles-Gesichter hängen, die den Besucher direkt erwarten. Eine schier endlose Playlist aus Hits der Pilzköpfe leitet im Eingangsbereich den Besuch ein, während aus einer Tür am anderen Ende des Raumes Stefan Lorenz herbeigeeilt kommt, einer der beiden Leiter des Museums. Ihm ist die Freude über jeden Besucher anzumerken, ungefähr 20.000 sollen es Jahr für Jahr sein. Ticket gekauft, einen Plan zur Orientierung im nicht gerade kleinen Gebäude in die Hand gedrückt bekommen, und schon kann die Entdeckung des Museums losgehen.
Auf drei Stockwerken bekommen Besucher einen ausführlichen Einblick in das Leben der vier Beatles Paul McCartney, John Lennon, Ringo Starr und George Harrison. Folgt man den Empfehlungen von Stefan Lorenz, kann man sich chronologisch von der Geburt der Bandmitglieder bis zur heutigen Zeit 3.500 Exponate anschauen, was natürlich aus Zeitgründen gar nicht möglich ist. Das alte barocke Bürgerhaus, in dem sich die Einrichtung heute befindet und das kurz vor der Jahrtausendwende einsturzgefährdet war, konnte gerade noch rechtzeitig kernsaniert werden und dient seit mittlerweile über 16 Jahren als Anlaufstelle für Beatles-Fans aus aller Welt. In 17 Räumen können die Gäste eine Zeitreise unternehmen, die im Jahre 1940 beginnt, als mit Ringo der erste Beatle auf die Welt kommt, und durch das Wirken der beiden heute noch Verbliebenen auch nach wie vor andauert.
Jeder Raum ist einem bestimmten Thema oder einem Zeitabschnitt gewidmet. So beschäftigt sich ein Zimmer beispielsweise mit den Solo-Karrieren der (Ex-)Mitglieder ab dem Jahre 1970, ein anderes hält alles zum Thema „Yellow Submarine“ bereit. Im Foyer gibt es außerdem einen Shop, in dem man nicht nur nahezu alle Alben der Band kaufen kann, sondern auch einen Adventskalender oder Kaffeetassen mit dem Konterfei der Pilzköpfe aus Liverpool.

Die Sammlung wächst und wächst – seit über 50 Jahren
Obwohl das Museum erst im April 2000 seine Tore für Neugierige öffnete, reicht seine Geschichte bis in die goldenen Jahre der Beatles zurück: Schon 1964 begann Rainer Moers in Köln damit, alles zu sammeln, was mit den Beatles zu tun hat. So existieren auch heute, mehr als fünf Jahrzehnte Jahre danach, noch unzählige deutsch- und englischsprachige Zeitungen aus den 60er-Jahren, in denen Artikel über die Beatles erschienen sind. Nahezu alle irgendwie relevanten Themen werden abgedeckt: ihr letztes Live-Konzert auf den Dächern Londons im Jahre 1969, der Mord an John Lennon 1980 in New York oder sensationsheischende Berichte über eine Wiedervereinigung der Gruppe, zu der es bekanntlich nie kam.

1970 trennten sich die Beatles im Streit, nachdem sie zuvor mit Abbey Road noch eines ihrer wohl größten Meisterwerke produziert hatten. Fünf Jahre später eröffnete in Westdeutschland eine Wanderausstellung zum Thema Beatles, auf die Beine gestellt von Rainer Moers und der Vorläufer des heutigen Museums in Halle. Die Bürger der DDR hingegen gingen leer aus; schon 1965 betitelte Walter Ulbricht den Stil der Beatles als „kapitalistische Beatmusik“ und verbot den offiziellen Vertrieb von Platten, was dennoch nichts an einer gewissen Popularität der Gruppe auch im Osten änderte.
Kurz vor der Wiedervereinigung eröffnete das Beatles-Museum seinen ersten festen Standort in Köln, wurde aber mit seinen 60 Quadratmetern schnell als dauerhaft zu klein befunden. Intensiv wurde sich um einen neuen und deutlich größeren Standort bemüht, im Gespräch waren zwei Dutzend Städte in Deutschland, von denen Halle letztendlich am meisten überzeugen konnte. So wurde das Museum, wie man es heute kennt, 2000 feierlich eröffnet – selbst der damalige britische Botschafter Sir Paul Lever fuhr in seinem Rolls-Royce vor. Neben Moers, sozusagen dem Urvater der Einrichtung, nahm auch der in der Saalestadt ansässige Matthias Bühring eine tragende Rolle ein; er verstarb jedoch nur wenige Monate nach der Eröffnung.
Schritt für Schritt etablierte sich das Museum am Standort Halle, 2007 konnte sogar eine weitere Etage nutzbar gemacht werden, seitdem erstreckt es sich über drei Stockwerke. Im Unterschied zu vielen anderen Ausstellungen darf man hier als Besucher sogar viele Originale anfassen: Es gibt Schallplatten und eine Spieluhr, eine 1962er-Bassgitarre, die der von McCartney gleicht, und einen ganzen Raum mit Möglichkeiten, selbst musikalisch tätig zu werden. Auch sonst beherbergt das Gebäude alles, was auch nur im Entferntesten mit den Beatles zu tun hat, beispielsweise bunte Schlafmasken, Gürtelschnallen, Regenschirme oder Spiegel.

Yoko Ono am Telefon
Seit vor wenigen Jahren in Hamburg das einzige andere Beatles-Museum in Deutschland aus finanziellen Gründen schließen musste, hat der Standort Halle im Inland sozusagen die Monopolstellung inne. Selbst im weltweiten Vergleich muss man sich nicht verstecken, so ist man ziemlich stolz auf den Titel „Größtes Beatles-Museum der Welt“.
Seit dem Tod George Harrisons im Jahr 2001 leben mit Paul McCartney und Ringo Starr nur noch zwei Ex-Mitglieder der „klassischen“ Beatles. Ob die beiden wohl schon mal in Halle waren? „Nein, das ist leider bisher noch nicht passiert“, meint Daniel Deparade, der ebenfalls im Museum arbeitet, am Ende meines Besuchs, „sie wissen wohl von unserer Existenz, ein Besuch ließ sich aber leider noch nicht realisieren.“ Vor einigen Jahren fand ein zehnminütiges Telefonat von Gründer Rainer Moers mit Lennon-Witwe Yoko Ono statt, welches eigens aufgezeichnet und im hauseigenen Print-Magazin Things auch abgedruckt wurde. Bis auf eine Postkarte zum 15-jährigen Jubiläum der Dauerausstellung, ebenfalls von Ono, gab es leider keinen „prominenten“ Kontakt mehr.
Die vielen visuellen und akustischen Details lassen manchmal tatsächlich den Eindruck entstehen, man befinde sich auf einer Zeitreise zurück in die 1960er-Jahre. Dem Museum gelingt es dank vieler zeitgenössischer Exponate gut, den Besuchern dieses spezielle „Beatles-Gefühl“ zu vermitteln und sie in die Welt der Pilzköpfe eintauchen zu lassen. Wer will, kann problemlos den ganzen Tag hier verbringen – alles wird man sowieso nicht erfassen können. Wer den die Eingangstür verhüllenden Vorhang nach draußen wieder verlässt, der kann nun etwas besser nachvollziehen, was vor 50 Jahren und auch heute noch Millionen Menschen zu Fans dieser Band gemacht hat. Zu den langsam leiser werdenden Klängen der 60er verlässt man die Zeitmaschine und betritt wieder hallischen Boden.

www.beatlesmuseum.net

Alexander Kullick ist Redakteur der hallischen Studierendenschaftszeitschrift hastuzeit der Martin-Luther-Universität. Dieser Artikel erschien zuerst in hastuzeit Nummer 69.


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert