Ein indischer Gastwissenschaftler an der Universität Jena untersucht, wie Menschen im organisatorischen Kontext handeln.
Kooperieren, um gemeinsam Ziele zu erreichen – dieses Erfolgsrezept verfolgen die Menschen seit ihren Anfängen. Doch die Natur der Organisation ist einem permanenten Veränderungsprozess unterworfen und steht deshalb auch im Fokus der Wissenschaft. Ein Forscher, der sich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt, ist Professor Dr. Unnikrishnan Nair. Normalerweise arbeitet er am Indian Institute of Management in Kozhikode; in diesem Wintersemester allerdings ist der Inder an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu Gast. Ein Austauschprogramm des Indian Council of Cultural Relations ermöglicht ihm diesen Aufenthalt – und damit die direkte Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Professor Dr. Stefan Strohschneider vom Institut für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache und Interkulturelle Studien der Uni Jena.
Wie sich Organisationen verhalten
„Eines der elementaren Felder im Bereich Management ist das organisatorische Verhalten, was nicht nur für das Ökonomische gilt, sondern alle Lebensbereiche berührt, in denen Menschen zusammenwirken“, erklärt Nair. „Organisationen finden wir überall, sowohl als Unternehmen in der Wirtschaft als auch in der Verwaltung und Politik sowie auf lokaler Ebene, beispielsweise in Vereinen.“ Dementsprechend sind sie sowohl für die Wirtschaftswissenschaften als auch für Psychologie, Soziologie oder Politikwissenschaft interessant. Was passiert, wenn Menschen sich zusammenfinden und sich organisieren? Welche Strukturen liegen dabei vor, welche müssen zur Effizienzsteigerung neu gebildet werden? Wie gewinnt eine Organisation neue Mitglieder und was motiviert Menschen, sich anzuschließen – all das seien Fragen, die Forscher auf diesem Gebiet interessieren. Darüber hinaus sei zudem interessant, wie Organisationen untereinander miteinander umgehen, wie sie der Gesellschaft und dem Individuum gegenübertreten.
Wie wichtig die Erkenntnisse aus dieser Arbeit sein können, macht die historische Entwicklung deutlich: „Während die vorindustrielle Zeit vor allem geprägt war durch Herrschafts- und Verwaltungsorganisationen wie Monarchien, militärische Strukturen und religiöse Organisationen, standen im 20. Jahrhundert vor allem Unternehmen im Mittelpunkt“, erklärt der indische Gastwissenschaftler. „Heute beeinflussen mehr und mehr gesellschaftliche Organisationen, die unter anderem aus Graswurzelbewegungen entstehen, das Zusammenleben.“ Das bedeute, dass sich beispielsweise die Art und Weise des Zusammenwirkens enorm verändert hat – nicht zuletzt durch die Digitalisierung.
Öfter den Blick auf Indien richten
Doch Zusammenarbeit ist nicht nur Forschungsinhalt, sondern auch ein Weg zur Erkenntnis – deshalb Nairs Entscheidung für ein Semester in Jena. Stefan Strohschneider kennt er schon seit mehr als 20 Jahren, nun haben sie endlich die Gelegenheit, gemeinsame Projekte zu initiieren. Vor allem das vielseitig ausgerichtete Jenaer Institut ermögliche dabei neue Perspektiven. „Wir wollen beispielsweise neue Unterrichtsmaterialien entwickeln, denn der Bereich Management ist sehr stark von den Universitäten in den USA dominiert“, sagt Nair. „Dem möchten wir etwas aus indischer und europäischer Perspektive entgegensetzen.“ Außerdem interessiere er sich sehr für Trainingsmethoden, die auf Simulationen beruhen – ein Schwerpunkt Strohschneiders.
Während seines Aufenthalts gibt der indische Hochschullehrer auch zwei Kurse und tritt so in Kontakt mit den Jenaer Studierenden. „Das ist für mich eine ganz besondere interkulturelle Erfahrung, die mich sehr bereichert und die ich später weitergeben kann. Schließlich bilde ich meine Schüler in Indien zu global citizens – also zu Weltbürgern – aus“, sagt er. Ebenso gewinnbringend bewertet auch Strohschneider den Besuch seines indischen Kollegen. „Schon in den wenigen Wochen, die er bisher hier ist, bereichert der indische Gast unser Institut und vor allem die Studierenden sehr – nicht zuletzt weil er einfach ein hervorragender Lehrer ist“, sagt der Jenaer Professor und verweist auf eine politische Motivation, die er mit Nairs Aufenthalt verbindet. „Mir ist es wichtig, dass wir in Deutschland häufiger den Blick nach Indien richten, denn hier können wir viel lernen. Allein wie es dort gelingt, dass mehr als eine Milliarde Menschen, mit teilweise ganz unterschiedlichem kulturellen Hintergrund, in einem Staat zusammenleben, erfordert – sowohl auf politischer Ebene als auch im Alltag – ein enormes Maß an Organisation.“
(Quelle: FSU Jena Pressestelle)
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