Integration durch Improvisation

Ungewohntes Rampenlicht: Theaterworkshop im "polaris" (Foto: Freie Bühne Jena e.V.)

In einem Theaterworkshop der Freien Bühne Jena lernen Berufsschüler und junge Flüchtlinge gemeinsam die Grundlagen des Theaterhandwerks. Wir trafen Lehrer und Theaterpädagogen, die das Projekt betreuen.

von Lutz

Spielerisch die deutsche Sprache lernen – das klingt sehr verlockend. Ein Theaterworkshop unter dem Titel Like Me nimmt dieses Anliegen wörtlich und bringt deutschsprachige Berufsschüler des Staatlichen Berufsbildenden Schulzentrums Jena-Göschwitz und Asylbewerber zusammen, die sich in einem Berufsvorbereitungsjahr befinden und in einer Vorkurssprachklasse intensiv Deutsch lernen. Unter den 20 Teilnehmern des Workshops befanden sich acht Muttersprachler und zwölf Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Russland, Eritrea, Somalia und dem Kosovo im Alter von 16 bis 26 Jahren.
„Die anfängliche berechtigte Skepsis der Verantwortlichen in den Schulleitungen und organisatorische Probleme bei der Vorbereitung konnten durch informelle Gespräche und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Partner behoben werden“, so Frank Wenzel von der Initiative für Berufsschultheater.
Zum ersten gegenseitigen Kennenlernen fand bereits im Oktober ein gemeinsames Kochen im Jugendbildungszentrum „polaris“ in Jena-Nord statt. Dort standen Kennenlernspiele und eine Vorstellung des Projekts auf dem Plan. „Es handelt sich nicht um ein ‚Fluchtprojekt‘. Sondern es geht darum, Flüchtlingen kulturelle Partizipation zu ermöglichen“, berichtet der Theaterpädagoge Maik Pevestorff, der die Workshops leitet. „Die Schüler waren positiv dem Projekt gegenüber eingestellt und waren gespannt, was auf sie zukommt“, so Claudia Szakinnis, die die jungen Flüchtlinge unterrichtet. Stets anwesend waren neben Maik Pevestorff auch eine weitere Theaterpädagogin, eine Trauma-Therapeutin des Refugio Thüringen e.V. sowie ein Vertreter der Thüringer Initiative Willkommenskultur, die die Integration von Flüchtlingen in den Thüringer Arbeitsmarkt vorantreibt.
Beim zweiten Zusammentreffen der Gruppe im Lobedaer Jugendbegegnungszentrum „Treffpunkt“ folgte ein Grundkurs in Schauspiel. „Bei den Teilnehmern, die noch nicht so gut Deutsch können, ist weniger die Kommunikation die Schwierigkeit, hier helfen sich alle gegenseitig. Eher besteht wegen Sprachbarrieren eine gewisse Scheu oder Angst, vor allen anderen in der Runde offen zu sprechen“, so Theaterpädagoge Pevestorff weiter. Diese Zurückhaltung wurde aber zunehmend abgelegt und auch die Nicht-Muttersprachler öffneten sich immer mehr. „Der intensive Umgang mit Gestik und Mimik und zu lernen, mit aktiven Handlungen Stimmungen auszudrücken, haben schon eine Erhöhung des Sprachverständnisses bewirkt“, ergänzt Claudia Szakinnis. Um allen Facetten des Theaters gerecht zu werden und niemandem zum Bühnenauftritt zu zwingen, wurden die Teilnehmer danach in vier selbstständige Arbeitsgruppen aufgeteilt: Technik (Licht und Ton) ist dabei ebenso ein Bereich wie Schauspiel, Regie und Dramaturgie und Szenografie (Kostüme und Kulisse).
Der dritte Workshop zur Entwicklung einer Dramaturgie am 16. Dezember 2015 war das zunächst letzte Treffen. Dort wurden neben einer möglichen Einbeziehung multimedialer Inhalte auch die Themen des Theaterstücks festgelegt: Inhaltlich soll es um Ankommen, Familie, Freunde und die eigene Zukunft gehen, so der breite Konsens der Teilnehmer. Zu dieser Sitzung wurden bereits erste Szenen aufgeführt. Ein Großteil der Teilnehmer möchte ab Januar an regelmäßigen Proben teilnehmen. In welchem Rahmen das geschehen und ob das Theaterprojekt fortgesetzt werden kann, hängt unter anderem davon ab, wie viele der Flüchtlinge ihre Asylanträge bewilligt bekommen.
Auch fraglich ist derzeit noch die (Weiter-)Förderung durch die Lokale Partnerschaft für Demokratie Jena, die bisher 1.800 Euro investiert hat. Neben wöchentlichen Terminen und Materialien fürs Bühnenbild wäre es dann auch möglich, eine bildende Künstlerin für dessen Gestaltung zu bezahlen, um den Berufsschülern auch handwerkliche Fertigkeiten zu vermitteln und ihnen so bereits bei einer Berufsorientierung zu helfen. „Perspektivisch soll den Jugendlichen mit dem Projekt auch das Selbstvertrauen und die Kompetenz vermittelt werden, sich auf dem deutschen Lehrstellenmarkt erfolgreich zu bewerben“, so Frank Wenzel von der Initiative für Berufsschultheater.
Geht es nach Maik Pevestorff, wird das Projekt auch im neu begonnenen Jahr weiter gefördert. Wenn alle notwendigen Faktoren stimmen, würde einer Aufführung noch vor den Sommerferien nichts im Wege stehen – vielleicht sogar keine Sprachbarrieren mehr.

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