Selbstfindung zwischen Australien und Indien: Lion – Der lange Weg nach Hause erzählt die wahre Geschichte eines Adoptivkindes, das sich auf die Suche nach seinem Heimatdorf macht.
von Jacky
In Indien verschwinden jährlich rund 80.000 Kinder. Der 5-jährige Saroo ist eines von ihnen. Als Filmversion seiner Lebensgeschichte zeigt Lion einen kleinen Jungen aus einem indischen Dorf, der sich durch eine Aneinanderreihung unglücklicher Vorfälle allein in der indischen Metropole Kalkutta wiederfindet. Nachdem er einige Wochen den Gefahren der Straße ausgesetzt ist, wird er von der Polizei in ein Waisenhaus gebracht und dort zur Adoption freigegeben.
Als Adoptivsohn eines wohlhabenden tasmanischen Paares wächst Saroo in einer Welt auf, wie sie nicht konträrer zu seinem Leben in Indien sein könnte – und passt sich dieser an: Als 25-jähriger, zielstrebiger Mann studiert er Hotelmanagement. Er sieht sich als Australier, bloß in Indien geboren und beim Cricket unterstützt er „nur die Aussies, mate!“. Seine Wurzeln hinterfragt er kaum – bis zu jenem Tag, an dem er durch Jalebi, eine indische Süßigkeit, an seine Herkunft erinnert wird.
Und so beginnt Saroos Suche nach seinem Ursprung und seiner Familie. Erst zaghaft, dann immer verbissener durchforstet er seine Erinnerungen, bis er mithilfe von GoogleEarth sein vermeintliches Heimatdorf identifiziert hat. Mehr hoffnungsvoll als ängstlich reist er nach Indien, wo er seiner Vergangenheit auf die Spur kommt und erfährt, was ihn mit einem Löwen verbindet…
Das Drama von Regisseur Garth Davis zeigt auf herzerwärmende und unterhaltsame Weise, wie hoch der Wert des Wissens um die eigenen Wurzeln und der Familie für ein glückliches und unbeschwertes Leben und letztendlich für die Selbstfindung ist. Neben einer fesselnden und wahren Geschichte schafft die Naturkulisse, sowohl auf tasmanischer als auch auf indischer Seite, eine atemberaubende Filmbühne. Dev Patel brilliert als liebenswerter Saroo, mit dem man mitfiebert und -leidet. Der Besetzung ist allerdings die Prägung durch die Hollywood-Norm nicht abzusprechen: Während Saroo im Film bei Ankunft in seinem Heimatdorf ganz klar optisch von den indischen Anwohnern abzugrenzen ist und zunächst argwöhnisch als „westlicher Neuling“ beäugt wird, so sind dem echten Saroo – im Abspann zu sehen – seine indischen Wurzeln doch wesentlich deutlicher ins Gesicht geschrieben. Dadurch wird der Kontrast des nun „australischen“ Saroo zu seiner eigentlichen Herkunft im Film nicht nur charakterlich, sondern auch optisch stark betont, was für die Erzählung zwar an manchen Stellen übertrieben, aber keineswegs störend wirkt.
Besonders der Abspann zeigt durch die echten Aufnahmen, dass auch eine filmreife Geschichte wahr sein kann und rundet Saroos „Weg nach Hause“ durch ein vollkommen gelungenes Filmende ab. Genug gespoilert – wer sich für satte 8,1 Punkte bei imdb einmal mit dem Thema Selbstfindung befassen möchte und auch noch wissen möchte, was es nun mit dem Löwen auf sich hat, dem ist Lion nur zu empfehlen.
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