von Luth
Die Menschen, die man heute allgemein als Backpacker bezeichnet, haben das Unterwegssein zum Lebensinhalt erklärt. Ihre unverbindliche Heimatlosigkeit gilt weithin als hipp und schick. Schon immer waren Reisen aber auch eine Flucht vor und eine Suche nach sich selbst. Die fünf Weltreisenden in Sonja Heiss’ Regiedebüt „Hotel Very Welcome“ sind keine modernen Touristikhelden, sondern zerrissene, entscheidungsunfähige Beziehungsnomaden. In vier Episoden schildert der halbdokumentarische Film ihre schwierige Sinnsuche quer durch Asien.
„Begegnet dem anderen wirklich.“ – Die Deutsche Marion (Eva Loebau) sucht nach ihrer Rolle als Frau und Freundin, die Beziehung mit Thomas ist gescheitert, „so ’ne Art Trennung auf Zeit.“ In einem beklemmend sterilen indischen Ashram glaubt die neben sich Stehende, endlich Gleichgesinnte gefunden zu haben. Wie die anderen Heilsjünger im „Happy Home“ derwischt sie zunächst in purpurnen Einheitsgewändern zu Billigtechno über die Tanzfläche und exhaliert ihre extreme Unzufriedenheit, bis sie den sektiererischen Inzest erkennt und flieht.
„Ich laufe nicht weg, ehrlich!“ – Auch der Ire Liam (Chris O’Dowd), ein dauerverpeilter Hangaround, ist auf der Flucht und hadert mit sich selbst. Ein „ziemlich besoffener“ One-Night-Stand mit einer „wirklich hässlichen“ Frau blieb nicht folgenlos. In Indien sucht der werdende Vater nun den ultimativen Drogenrausch, verdrängt beim selbstversunken-andächtigen Streicheln heiliger Kühe und Kiffen von Mäusescheiße aber nur seine Zukunftsängste. Angekommen in der Wüste, dem „perfekten Ort zum Nachdenken“, lässt er sich weiter treiben und plant doch allmählich das Danach.
„Das ist jetzt meine Kreditpolitik!“ – Wie sein bester Kumpel Adam (Gareth Llewelyn) ist der neurotische Kontrollfreak Josh (Ricky Champ) „very british“. Als der sensible Adam mitten im Thailand-Urlaub feststellt, dass er vollkommen pleite ist, gibt es Geld und Verständnis von Josh nur noch nach langen Diskussionen. Nicht nur daran zerbricht letztlich die fragile Freundschaft der beiden, die auf dem Liverpooler FC, Biertrinken, pubertärem Paarungsverhalten, Kicken am Strand und nächtelangen Fullmoonraves gründet.
„Suchen? Wonach?“ – So steht die letzte Episode mit der Deutschen Svenja (Svenja Steinfelder), die in einem Bangkoker Hotelzimmer gestrandet ist, sinnbildlich für den ganzen Film. Verpasste Anschlussflüge oder finanzielle Engpässe sind nicht das Problem, das wahre Dilemma besteht in der inneren Einsamkeit der Protagonisten und ihrem Verlorensein in der Fremde. Heiss bietet aber keine Lösung an, ihr geht es um die Entmystifizierung des überholten Abenteurerimages von Backpackern.
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