Aktuelle Comics über Themen wie Migration und Flucht gibt es inzwischen zuhauf. Nur wenige entwickeln dabei aber die emotionale Kraft wie Illegal – Die Geschichte einer Flucht, der es schafft, ohne die naheliegende Tränendrüse auszukommen.
von Frank
Es ist eine Geschichte, wie sie vermutlich jeden Tag mehrfach passiert: Der junge Ebo bricht in seinem kleinen Heimatdorf im Niger auf, um seinen großen Bruder zu finden, der sich auf den Weg nach Europa gemacht hat. Vor dem klugen und vor allem willensstarken Jungen liegt damit ebenfalls ein langer und gefährlicher Weg – durch die Sahara, dann nach Tripolis, schließlich über das Mittelmeer in einem überfüllten und alles andere als seetüchtigen Boot.
Eoin Colfer und Andrew Donkin erzählen diese lebensbedrohliche Reise auf packende und spannende Art, aber ohne die vielleicht naheliegende Tränendrüse, ohne die reißerische Darstellung von Leid. Im Gegenteil: Der Zeichenstil gibt dem Szenario beinahe etwas naiv-freundliches, ohne jedoch beschönigend zu wirken. Bebildert vom italienischen Comiczeichner Giovanni Rigano, gewinnt Ebos Geschichte eine oftmals farbenfrohe Optik und wird so leichter zugänglich auch für jüngere Leser.
Durch die geschickte Parallelmontage zweier Zeitebenen ist Illegal – Die Geschichte einer Flucht zudem enorm spannend erzählt. Und das wichtigste Wort eröffnet als Zeitangabe rund die Hälfte der Kapitel: „Jetzt“. Diese Dinge geschehen jetzt gerade, vor unserer europäischen Haustür. Kinder treiben auf dem Mittelmeer, fragen „Wir werden sterben, oder?“ – jetzt, während dieser Text hier geschrieben und gelesen wird. Ausgerechnet ein Comic kommentiert dies treffender, als 100 kluge Zeitungsseiten es könnten. Es ist gut, dass es Bilder sind, die hier erzählen – gezeichnete zumal – und Bilder, die sich nicht bewegen: Die Sequenzialität des Mediums Comic, die jedem Leser seinen eigenen Rhythmus im Geschehen erlaubt, seine eigene Geschwindigkeit, offenbart seine Einzigartigkeit selten so gelungen wie auf diesen rund 140 Seiten.
Illegal – Die Geschichte einer Flucht zeigt: Es geht hier nicht um gierige Migranten, die in Form einer anonym-entmenschlichten Welle an Europas Küsten drängen. Es sind Einzelpersonen, mit Namen, mit Familie, mit Vorstellungen von der Zukunft: „Meine Kinder sollen ein gutes Leben haben“, sagen sie. „Ich musste meine Heimat verlassen. Der Krieg kam…“, erklärt ein anderer auf Ebos Boot.
„Es ist dies keine Reise, die leichthin angetreten wird“, heißt es im Nachwort treffend. „Ein jeder, der sich dazu entschließt, hat seine eigenen Gründe dafür. Und ein jeder davon ist ein Mensch.“
Eoin Colfer, Andrew Donkin (Autoren)
Giovanni Rigano (Zeichnungen):
Illegal – Die Geschichte einer Flucht
rororo rotfuchs 2018
144 Seiten
16,99 Euro
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