Familienausflug nach Nordkorea

Nordkoreas Führung ist durch ihre Provokationen und Drohgebärden in die Schlagzeilen gerückt. Ein Jenaer Student wagte kurz vor der Machtübernahme durch Kim Jong-un im Jahr 2011 mit einer Reise in das abgeschottete Land einen Blick hinter die Kulissen.

von Finja

Nordkorea ist ein außergewöhnliches Land und deshalb möchte ich es kennenlernen“, behauptete Roman gegenüber dem Botschaftspersonal. Von Abenteuerlust gepackt, wollte er eigentlich allein in das diktatorisch regierte Land reisen. Doch seine ebenso reiselustige Großmutter und seine Mutter beschlossen, ihn zu begleiten. „Wenn wir sterben, sterben wir zusammen“, sagten sie sich mit einem Augenzwinkern, zugleich aber auch mit einem flauen Gefühl im Magen: Den „Familienausflug nach Nordkorea“ würde Roman zwei Jahre später als eindrücklichstes Erlebnis seines Lebens beschreiben.
Nordkorea ist wirklich außergewöhnlich – im negativen Sinne. Die Verhältnisse sind in mancher Hinsicht schlimmer als in einem Entwicklungsland. Ein Besuch in der abgeschotteten Volksrepublik ist nicht einfach zu realisieren, denn Touristen dürfen nicht nach Belieben einreisen oder sich dort frei bewegen. Roman und seine Familie hatten Glück: Drei Monate nach Antragstellung, anlässlich des Geburtstages des damaligen Herrschers Kim Jong-il, durften sie sich einer Reisegruppe anschließen und das Land gemeinsam kennenlernen.
„Bei einer Reise nach Nordkorea begibt man sich in die Hände des Regimes“, meint Roman. Als Tourist nach Lust und Laune zu fotografieren ist ebenso schwer möglich wie mit den Landsleuten ins Gespräch zu kommen. Meinungen untereinander auszutauschen ist fast undenkbar. Noch auf dem Flughafen der Hauptstadt Pjöngjang werden Roman Pass und Handy abgenommen. Würde er heute einreisen, dürfte er zumindest sein Mobiltelefon behalten. Während des Aufenthalts wird die von Aufpassern eskortierte Reisegruppe zu Propaganda-Sehenswürdigkeiten geschleust. Unter anderem besichtigen sie das Mausoleum, in dem Kim Il-sung aufgebahrt liegt. Der einstige Diktator der „Demokratischen Volksrepublik Korea“ wird heute noch wie ein Gott verehrt und auch die Touristen müssen mit kleinen Verbeugungen ihren Respekt zeigen. „Sag niemals, dass er tot ist“, bemerkt Roman, „er schläft nur.“ Nach der Besichtigung unzähliger Statuen und Denkmäler zu Ehren der Staatsmänner besuchte die Gruppe ein Kinderheim. Insgesamt sei dieser Besuch eine schwer zu ertragene Situation gewesen: „Schon die Kleinkinder standen offensichtlich unter dem Einfluss des Regimes. Doch es bleibt einem auch dort nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.“
Trotz des Versuchs, eine makellose Fassade für die Touristen aufrechtzuerhalten, gelang es Roman, einen Einblick in die Wirklichkeit des Landes zu erhaschen. Er erzählt, dass es in einem „Zustand der totalen Verwahrlosung“ sei. Zwar ist die große Hungersnot, die in den 1990er Jahren hunderttausende Opfer forderte, vorüber, doch Hunger ist auch heute noch allgegenwärtig. „Ich habe dort keine Lebensmittelläden oder Ähnliches gesehen“, berichtet er, „die Menschen standen in langen Schlangen vor kleinen Buden, in denen Essen ausgeteilt wurde, für das es sich eigentlich gar nicht lohnen würde, anzustehen“. Außerdem gebe es fließendes – allerdings kaltes – Wasser nur in der Hauptstadt. Die breiten Straßen, die in besseren Zeiten gebaut wurden, seien leergefegt, denn Autos gebe es fast keine.
Einen Eindruck davon, dass die Menschen wenig über die Außenwelt wissen, verdeutlichten Gespräche mit den Aufpassern. „Die leben in einem totalen Paralleluniversum“, erzählt Roman. „Zum Beispiel denken die Leute dort, dass Deutschland vereint und kommunistisch ist.“
Obwohl die Mitreisenden verschiedene Sprachen beherrschten, die die Aufpasser vermutlich nicht verstanden hätten, wagten sie nicht, sich über die Ereignisse auszutauschen. „Die Aufpasser haben uns natürlich nicht gesagt, welche Sprachen sie noch sprechen“, sagt Roman. Sogar im Hotel wurden sie abgehört. Richtig über ihre Erfahrungen und Eindrücke austauschen konnten sie sich erst nach ihrer Reise.
Per Zug reisten Roman und seine Familie nach ihrem fünftägigen Besuch Richtung China weiter. Mit Reisepass und Handy bekamen sie am Ende ihre Freiheit zurück. „Als wir über die Grenze fuhren, haben alle applaudiert“, erinnert sich Roman. Ein zweites Mal möchte er nicht nach Nordkorea reisen. Aber er ist froh, es einmal gewagt zu haben, denn er habe durch dieses Erlebnis den Wert der Freiheit verstanden: „Wir wissen manchmal gar nicht, wie glücklich wir uns schätzen können, so frei zu leben.“

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