Im Wintersemester 2011/12 befassten sich Studenten an der Universität Leipzig mit dem Thema „Einwanderungsland Deutschland“. Das Ergebnis ist mittlerweile unter dem Titel ‚Die Farben verlieren sich ineinander…‘ – Dialoge im Einwanderungsland Deutschland erschienen.
von Robert
‚Dialoge’ ist nicht nur Teil des Titels, sondern soll auch das Konzept der einzelnen Abhandlungen sein: Die Kommunikation, der Austausch zwischen zwei Individuen soll den Leser berühren und verändern, „wie die Farben eines Bildes, das noch in der Entstehung ist“, verheißt schon der Klappentext. Ganz in diesem Sinne beginnt der Band mit einer Abhandlung über die Entwicklung des deutsch-türkischen Kinos – die jedoch weder in ihrer Arbeitsweise noch sonst etwas mit zwischenmenschlicher Kommunikation zu tun hat. Dafür wird auf recht anschauliche Weise der Wandel der medialen Darstellung türkischer Migranten vom ehrenmordenen Ghettobewohner zum integrierten Mitbürger aufzeigt.
Die nachfolgenden drei Untersuchungen befassen sich jeweils mit einer Einwanderungsgruppe und versuchen anhand dieser, verschiedene Migrationstheorien zu überprüfen. Und hier löst der Werktitel endlich sein Versprechen ein: Deutsche Spätaussiedler, vietnamesische und irakische Migranten werden von den Seminarteilnehmern intensiv zu ihren Ansichten und Erfahrungen mit Migration in Deutschland befragt. Viele der Informationen dürften einem durchschnittlich gebildeten Menschen bereits bekannt sein. So wird in jeder Arbeit aufs Neue die Bedeutung der Sprache für die Integration hervorgehoben. Doch der Fakt, dass sich keiner der Befragten in Deutschland generell ausgestoßen oder ungewollt fühlt, dürfte überraschen. Zwar werden rechtsextreme und rechtsradikale Bewegungen sehr wohl wahrgenommen, allerdings als Randphänomen kategorisiert. Manko aller drei Arbeiten: Die Zahl der Befragten ist nicht ausreichend, um wirklich repräsentativ verwertbare Ergebnisse zu liefern – eine Feststellung, die auch die Verfasser in ihren jeweiligen Faziten treffen.
Die letzte Arbeit schließlich versucht, durch eine Kurzeinführung in den Einbürgerungstest und dessen Voraussetzungen die Defizite dieses Verfahrens aufzuzeigen. Besonders diese letzte Abhandlung ‚beeindruckt’ durch eine extreme Oberflächlichkeit und Kürze (beim Lesen drängt sich gar die Frage auf, ob die entsprechenden Studenten dieses Werk noch am Abend vor dem Abgabetermin vollendet haben).
Das Buch schließt mit einem Essay von Kristina Skorniakova. In diesem versucht die Herausgeberin das Vorangegangene in ein homogenes Gebilde einzufügen: Die Beiträge des Buches seien wie Schnappschüsse – böten mit jeder Abhandlung nur einen Einblick in ein Fragment des weiten Areals der Migration.
„Die Farben verlieren sich ineinander…“ – Dialoge im Einwanderungsland Deutschland verfolgt ein löbliches Ziel; und auch der Mut, sich dem Thema auf eher unkonventionelle Art zu nähern, verdient Respekt, doch leider nicht mehr. Die größte Schwäche des Buches liegt freilich bereits in seinem Ursprung als Sammlung von studentischen Seminararbeiten: Jede Abhandlung ist in umständlichem Akademiker-Deutsch verfasst, jeder geht eine ermüdend lange Einleitung zu Untersuchungsobjekt und Arbeitsweise voran. Das ist zwar wissenschaftlich korrekt, aber zugleich für den Leser schier eine Qual. Zwar mag der Leser, der es zustande bringt, sich die 140 Seiten freiwillig zu Gemüte zu führen, ganz im Sinne der Herausgeberin Interesse am Thema finden und sich vertiefend mit diesem beschäftigen… doch wahrscheinlicher ist, dass Stil und Aufbau einen Großteil der Gewillten dabei scheitern lassen.
„Die Farben verlieren sich ineinander…“ – Dialoge im Einwanderungsland Deutschland
Herausgegeben von Kristina Skornikova
Edition Hamouda 2014
152 Seiten
14,90 €
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