In der Bühne am Park in Gera feierte am 13. Dezember die deutsch-burkinische Produktion Die Schutzlosen/ Les Zéros-Morts Premiere – und hinterlässt im Zuschauer das Gefühl tiefer Scham.
von Babs & Robert
Am 3. Oktober dieses Jahres wurde das 25. Jubiläum des Mauerfalls in ganz Deutschland mit großen Veranstaltungen gefeiert. Auf Lampedusa hingegen jährte sich eine Katastrophe: 2013 starben fast 400 Flüchtlinge auf dem Mittelmeer. Der Aufschrei der Entrüstung damals war laut aber kurz. Doch das Problem bleibt bestehen – auch im Jahr 2014 sind bislang über 3.000 Menschen bei dem Versuch, das europäische Festland zu erreichen, gestorben.
Dieser Thematik nähert sich Bernhard Stengele in einer Inszenierung, die den Zuschauer fassungslos und beschämt zurücklässt. Das dokumentarische Stück gibt all jenen eine Stimme, deren Schicksal sonst nur eine Zahl in der Zeitung ist.
Schon gleich zu Anfang wird das Publikum mit eingebunden. Nach einem einführenden Dialog führt der Weg in den Zuschauerraum, entlang an einem Gitterzaun. Man erkennt die Menschen kaum, die hinter den Zäunen stehen, um Hilfe und Einlass bitten, nur die beschwörenden Stimmen werden wahrgenommen. Die einzelnen Gestalten werden zur Meute, reißen die Gitter ein – ein Aufstand. Das Stück beginnt.
Die Schutzlosen/ Les Zéros-Morts hat keine Handlung im klassischen Sinn; Fakten über Flüchtlingspolitik und Opferzahlen wechseln sich mit persönlichen Berichten von den Todesfahrten über das Mittelmeer und Szenen aus dem Euripides-Drama Die Hilfeflehenden ab. Jede einzelne Geschichte wird zum individuellen Drama: „Jeder hält in seiner Hand den Schatten eines gescheiterten Traums.“ Die Tragödien, kombiniert mit Erläuterungen über die „Dublin II“-Verordnung, das „Trition“-Projekt von Frontex oder der tatsächlichen Weite des deutschen Asylrechts führen dem Zuschauer die Perversität europäischer Flüchtlingspolitik vor Augen.
Unappetitlich, grausam, brutal – die Toten von Lampedusa werden für einen Abend wieder wach, um uns ihren Klageschreien lauschen zu lassen. Das Stück zwingt das Publikum, seine Augen für diejenigen zu öffnen, die die Medien schon längst vergessen haben. Am Ende des Abends scheinen Publikum und Schauspieler zufrieden mit der Leistung, aber keiner wirklich glücklich. Ein Lachen ist nicht möglich. Es bleibt nur ein Gefühl der Wut und Scham. Der Scham darüber, dass auch man selbst Teil dieses Systems ist.
WEITERE TERMINE
Altenburg: 27.12., um 19.30 Uhr
Gera: 17.12. und 22.12., jeweils um 19.30 Uhr
Weitere Infos zur Inszenierung sowie das komplette Rahmenprogramm gibt es HIER.
(Fotos: © Theater&Philharmonie Thüringen / Diana Olbert)
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