Der Mensch als Datenmenge

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(Foto: © Stephan Walzl)

Die USA diskutiert über einen Ausschaltknopf für das Internet, um sich vor ausländischen Hackern zu schützen. Doch wie kann sich das Individuum absichern? Eine theatrale Recherche.

von Elisa

Ein nettes Gespräch zwischen zwei Fremden. Es wird sich amüsiert, gelacht und bevor jeder seiner Wege geht, Informationen ausgetauscht. Doch längst ist die Erfolgsstory der guten alten Handynummer Geschichte. Denn seit Neustem enden solche Begegnungen weltweit mit der Frage „Hast du Facebook?“. Beliebt ist das „blaue Netzwerk“ jedoch nicht nur seiner Kontakte wegen, sondern vielmehr aufgrund der endlosen Unterhaltung, die es zu bieten hat. Und schneller als die Nutzungsbestimmungen durchgeklickt sind, ist man schon Mitglied. Daran setzt der Autor des Stückes  Sp@m – eine theatrale Recherche an und verlangt dem Publikum vor Eintritt in den Theatersaal die Unterzeichnung seiner Bestimmungen ab. Darin eingeschlossen sind Verhaltensregeln, die es zu befolgen gilt, wenn man das Stück sehen möchte.

Jeder Klick wird aufgezeichnet
Darüber stellt der Regisseur Willi Wittig unmittelbar am Bezugssubjekt die Thematik der Aufführung dar: Datenschutz und die Macht des Internets. Das Schauspiel entstand im Rahmen der Reihe „Jetzt! Junge machen ihr Theater“ und wurde auf der Bühne der TheaterFABRIK von Theater und Philharmonie Thüringen in Gera aufgeführt. Dieses Projekt gibt jungen Theaterakteuren eine Bühne, um selbstständig eigene Stücke aufzubauen und zu inszenieren. Dabei helfen 250 Euro für Requisiten und Workshops zum Thema Bühnenbild und Regieführung. Im Falle von Willi Wittig entstand aus einem Zweizeiler, der „irgendwas in Richtung Datenschutz“ beinhaltete, ein Aufklärungsstück mit hohem Unterhaltungscharakter. Ziel war es, den Zuschauer nicht mit der kritischen Keule zu erschlagen, sondern eine kleine Hintertür zu öffnen, um über ein Thema nachzudenken, das schnell dazu neigt, belanglos zu werden. Im Mittelpunkt standen soziale Netzwerke, Suchmaschinen und die Komplexität von Internet und Computer, die als eine Art „Verschwörung“ weder ergründbar noch überschaubar scheinen.

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(Foto: © Stephan Walzl)

Während des Stückes befinden sich die drei Protagonisten in ständiger Interaktion mit dem Publikum, welches zum Beispiel aufgefordert ist, handschriftlich seine Gedanken zu „posten“. Schnell gestalten sich Konversationen aus sinnigen und banalen Kommentaren mit integrierten privaten Informationen. „Posts“ werden zu einem sozialen Instrument, das hilft, sich selbst in einer Gemeinschaft sicherer zu fühlen. Zügig kristallisieren sich auch die entgegengesetzten Standpunkte der handelnden Personen zur Preisgabe und Verwendung von privaten Daten heraus. Woraufhin eine realistisch anmutende Diskussion entfacht, denn nach Skandalen um Weitergabe von Daten an Werbende beginnt die wohlwollende Fassade des Internets zu bröckeln. Klar wird die ablehnende Meinung in einem radikalen Monolog eindrucksvoll dargeboten. Darin enthalten ist der starke Wunsch, der eigenen Mündigkeit nicht beraubt zu werden und zu wissen, wie man kompetent mit den Gefahren von Offenheit im Internet umgeht. Parallel zu dem untermauern lediglich Scheinargumente von subjektiv empfundenen „Experten“ und „Autoritäten“ die positive Haltung, frei nach dem Motto „Was wollen die mit meinen Daten schon anfangen?“ Sie wollen Menschen berechenbar machen und ihres freien Willens berauben. Deshalb möge man, trotz Vernebelung durch unbeschwerte Unterhaltung, auch an die Kontrollmacht denken, die hinter der großen Freiheit im Internet steht.
Möglicherweise ist es in diesem Zusammenhang sogar angenehm, wenn das Mobiltelefon öfter klingelt, anstatt in Nostalgiestuben zu vergammeln.

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(Foto: © Stephan Walzl)

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