Die Verweigerung von Informationen
von LuGr
Es gibt Tage, an denen sich ein Blick in die Zeitung genau so eintönig gestaltet wie die Beobachtung einer grauen Rauhfasertapete: Nichts wirklich Neues ist da zu lesen. Die Finanzkrise dauert an, die nächste Bank offenbart ihre Bedürftigkeit in Milliardenhöhe gegenüber riesigen „Rettungspaketen“ vom Staat. Der Nahost-Konflikt nimmt an Komplexität zu, wenn Israelis oder Palästinenser einmal mehr einen Waffenstillstand brechen und internationale Kontroversen zu diesem Thema auslösen. In neuen Sendungen von „Deutschland sucht den Superstar“ werden wieder irgendwelche Möchtegernsänger zur Schau gestellt, die eine ebenso verzerrte Selbstwahrnehmung von ihren gesanglichen Qualitäten an den Tag legen wie schon in fünf Staffeln zuvor. Welchen Mehrwert haben solche Informationen? Keinen, meinen die einen, einen geringen, die anderen.
Sind wir ohne all diese Informationen, die an sich nichts Neues bergen, vielleicht besser dran? Wenn etwas wirklich Weltbewegendes passiert, wird man als Verfechter des Uninformiert-Seins von politisch interessierten Mitbewohnern oder fernsehschauenden Kommilitonen ohnehin irgendwann darauf hingewiesen. Nachrichten interessieren mich dann nicht, wenn sie mich nicht persönlich betreffen. Und den Fortgang des Nahost-Konflikts, die immer weiter um sich greifende Weltwirtschaftskrise inklusive kommender Massenarbeitslosigkeit oder die fünfte Staffel ignoranten, aber kurzweiligen Bohlen-Gebashes kann ich ohnehin nicht aufhalten. Nicht allein, nicht innerhalb der überschaubaren Gemeinschaft von Menschen, die ich persönlich kenne. So kann ich viel beschwingter und sorgenfreier leben, weil ich mir nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen muss, auf welcher Seite ich stehen, welche Meinung ich vertreten muss. Ich muss mich nicht informieren und auch nicht positionieren, wenn ich gerade nicht will oder keinen Bock darauf habe. Ohnehin interessiere ich mich eher für Filme und Computerspiele als für Nachrichten. Ihre bekannteste Ausprägung findet diese Einstellung sicherlich in der häufig zitierten Politikverdrossenheit der Bevölkerung. Ohne Zweifel lebt eine Demokratie davon, dass ihre Bürger zur Wahl gehen. Allerdings bringt es die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit sich, dass man auch die Möglichkeit hat, auf das Wahlrecht zu verzichten.
Allerdings konstruieren Medien auch eine Realität für diejenigen, die sie nutzen. Sie zeichnen ihre Bilder der Gesellschaft und der Politik, in der unpopuläre Themen oder für unwichtig erklärte Informationen einfach ausgesperrt bleiben. Das fimiert im medialen Fachjargon dann unter „Nachrichtenwert-Theorie“. Ganze Kriege verschwanden so schon aus dem kollektiven Bewusstsein der Bevölkerung, Trotzdem sterben täglich in verschiedenen Teilen der Welt Menschen. Viele Zuschauer und Journalisten haben sich daran allerdings längst totgesehen oder totberichtet und das Interesse verloren. Auch und gerade Medien filtern ihre Nachrichten oft subjektiv, wodurch das proklamierte Selbstverständnis vom „Darstellen der Wirklichkeit“ schon eine Interpretation letzterer ist. Dieses Opfer muss man als Rezipient in Kauf nehmen, um „informiert“ zu sein. Das „Recht auf Dummheit“ sollte somit jeder einfordern, der das nicht hinnehmen möchte. Doch mögen Nachrichten auch noch so langweilig und uninteressant sein: Die Möglichkeit und das Bewusstsein, sich informieren zu können, will keiner missen – auch wenn man als möglicherweise überheblicher Student den Eindruck hat, mehr als Andere oder alles zu wissen.
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