Eine Rückschau auf ein Filmfestival in der Hauptstadt, das neben Arthouse-Perlen auch Assi-Charme zu bieten hat.
von LuGr
Das größte Filmfestival Deutschlands lud von 9. bis 19. Februar wieder dazu ein, sich sehr unterschiedliche Produktionen aus aller Welt anzusehen. Für mich Grund genug, für mehrere Tage vorbei zu schauen und einige eben jener Tage zum großen Teil im Kino zu verbringen. Neben einem witzigen philippinischen Film übers Filmemachen (The Woman in the Septic Tank) über ein in Berlin spielenden Mission: Impossible-Verschnitt mit Shah Rukh Khan (Don – The King is Back) bis hin zu einem biederen Politthriller von der Insel (Shadow Dancer) kam ich in den Genuss der gesamten Bandbreite internationaler Kinematografie. Doch auch menschlich war – und ist – die Berlinale stets eine Erfahrung.
Berlinale bedeutet – so legt es die Bezeichnung nahe – zuerst einmal eine gehörige Portion Berlin. Man wird mindestens zweimal am Tag von wildfremden Obdachlosen oder Musikanten in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder an Haltestellen angesprochen, die nach ein paar Cent begehren. Das ist Hauptstadt-Feeling pur und gehört einfach dazu. Und zum „größten Publikumsfestival der Welt“ gehört vor allem eins: Warten. Eben weil sehr viele Menschen scharf auf Restkontingente von Karten für einen bestimmten Film sind, der hinterher vermutlich nie einen deutschen Kinostart bekommen wird, weil er zu gewagt oder zu schwer zu vermarkten ist.
Auf der Berlinale sind selbst japanische Samurai-Filme aus den 1950er Jahren beinahe ausverkauft, wie ich am Montag bei Bakumatsu Taiyoden (engl. The Sun in the Last Days of the Shogunate) im Arsenal-Kino erfahren durfte, bei dessen Sichtung ich mich – als Banause outend – nach der Hälfte aus dem Kino zurückzog. Warum ich überhaupt reingegangen bin? Weil Die Wand mit Martina Gedeck, wie am Abend zuvor im Kino International, nicht mehr zu haben war. Der gemeine und vor allem spontane Festivalbesucher braucht also auch ein Quäntchen Glück und Timing.
Berlinale bedeutet neben Vielfalt, Nerds und Abwechslung aber auch: Filmemacher. Dieses Jahr gaben sich Angelina Jolie, Billy Bob Thornton und Shah Rukh Khan die Ehre, um nur die schillerndsten Namen zu nennen. Zu den zweiten und dritten Vorstellungen ihrer Filme fernab vom Berlinale-Palast am Potsdamer Platz verirren sich die weniger bekannten Filmemacher- und Schauspielerkollegen nur selten, was das obligatorische „Q&A“ erheblich abkürzt.
Der internationale Wettbewerb enttäuschte mich auch dieses Jahr, doch dafür habe ich in der Sektion „Panorama“ ein paar Filme entdeckt, die mir sonst verborgen geblieben wären: Der witzige Bugis Street um das turbulente Treiben in einem singapurischen Tollhaus voller Ladyboys, der in seiner Redux-Fassung gezeigt und von Regisseur Yonfan in dem mit ausladenden Ledersesseln futuristisch anmutenden „Event Cinema“-Saal im Cinestar diskutiert wurde. Nichts kommt jedoch an das Kino International heran, welches mit seinem funktionalen Betonbau im Osten der Stadt, Nähe Alexanderplatz steht und (n)ostalgische Gefühle aufkommen lässt. Dort scheiterte ich auch bis zu meiner Abreise am 17. Februar stets an der Tageskasse – die Vorstellungen waren und blieben stets ausverkauft. Inzwischen bin ich wieder heimgekehrt und verarbeite noch die zahlreichen Eindrücke meiner Stippvisite in der Hauptstadt. So bleibt auch noch ein aggressiver Mann im Friedrichsstadtpalast zu erwähnen, der sich vor der Vorstellung von Haywire auf einen von uns besetzten Platz setzte und auf den freundlichen Hinweis, dass dort besetzt sei, entgegnete: „Das ist hier nicht Mallorca, wo man mit Handtüchern seine Liegen besetzt“. Auch das ist der Charme von Berlin – und irgendwie liebe ich es, auf eine merkwürdige Art.
Einen persönlichen Rückblick auf die Berlinale-Kurzfilme findet ihr hier.
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