von Michael Franz
„Warst du schon mal Containern?“ Ich stellte meiner WG-Mitbewohnerin Anne diese Frage beim Schlürfen eines Heißgetränks an einem tristen Novemberabend. „Nein, noch nie gehört. Was ist das?“ Nachdem ich das wenige, was ich über diese Form der Lebensmittelbeschaffung wusste, wiedergegeben hatte, war ihre Neugierde bereits geweckt. Sogleich begann sie, Vorschläge zu unterbreiten, wo man überall schauen könnte, und fragte sich, ob die Container hinter den Discountern überhaupt zugänglich und offen seien.
Von so viel Enthusiasmus war ich überrascht. Im Grunde hatte auch ich keine große Lust auf die Aktion. Es regnete und im Dunkeln durch diese Vorstadtödnis zu tappen, das löst nur Depressionen aus – noch dazu, wenn man von wachsamen Nachbarn misstrauisch beobachtet wird. Doch Anne ließ nicht locker. Schon am nächsten Abend hatte sie mich überredet, doch mitzukommen zum „Paradies der kleinen Preise“ gleich um die Ecke.
An der Lieferrampe hinterm Laden war alles ruhig und dunkel. Die Anwohner schauten fern, von ihnen ging also keine Gefahr aus. Wir näherten uns zwei blauen Müllkübeln. Als der Bewegungsmelder die Beleuchtung anknipste, erschreckten wir kurz. Praktisch, so brauchten wir nicht mal unsere Taschenlampen! Klappe auf und … ja nun, was soll ich sagen? Schnittblumen und Danone-Jogurt, dazu Bananen mit Druckstellen und allerhand freudloses Gemüse. Nachdem ich länger herumgewühlt hatte – Anne plagten nun doch Berührungsängste – und wir beide ausgiebig gekichert hatten, waren die besten Brocken schnell geborgen, hauptsächlich Biogemüse und -käse.
Zu Hause breiteten wir unser „gefundenes Fressen“ vor den Augen unserer WG-Genossen auf dem Küchentisch aus. Die Reaktionen schwankten zwischen Spott und Ekelbekundungen. Anne und ich fanden es aber gar nicht so übel. In den folgenden Wochen schauten wir auch hinter anderen Lebensmittelmärkten nach und fanden fast überall unverschlossene Container vor. Da wir es – immer sauber bleiben! – hauptsächlich auf Bio-Lebensmittel abgesehen hatten, mussten wir natürlich auch viel liegen lassen. Die Mengen an Lebensmitteln, die angestoßen oder verfallen mitsamt Verpackung im Müll landen, waren beeindruckend. Es müssen in Deutschland jährlich Hunderttausende Tonnen sein. Wenn ich an die Rechnung denke, die unsere Kinder eines Tages dafür zahlen werden …
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