Filme vom Vorübergehen

Szene aus "Load": Was bewahren wir, was lassen wir vorüberziehen?

Kurz vor der großen Preisverleihung beim diesjährigen cellu l’art-Kurzfilmfestival gibt es den fünften Wettbewerbsblock („Erstarrt“) noch einmal zu sehen. Wir verraten euch, warum sich der Besuch lohnt.

von Frank & Belind

Das große Faszinosum am Genre des Kurzfilms ist, wie viel in so wenigen Minuten, Szenen, Einstellungen geschaffen werden kann. Eine ganze Reihe eindrucksvoller Beispiele dafür beinhaltet der Wettbewerbsblock Nummer 5 des diesjährigen cellu l’art-Kurzfilmfestivals. Dabei hatten die sechs Filme unter dem Oberthema „Erstarrt“ immerhin jeweils mindestens 10 Minuten Laufzeit, um dem Zuschauer von sich zu überzeugen.
Gleich der erste Beitrag, die isländisch-dänische Produktion Ártún, dürfte vielen im Gedächtnis bleiben, hält dieser Zwanzigminüter um eine Gruppe Teenager doch eine Reihe „WTF-Momente“ bereit, vor allem wenn es um die Erkundung der eigenen Sexualität geht. Dabei spielt der Film nicht nur auf großartige Weise mit den Erwartungen (bzw. Befürchtungen) des Publikums, sondern überzeugt durch die fast schon irrwitzig authentische Performance der jungen Darsteller.
Letzteres kann man von Wir können, wir sollten, wir hätten doch keineswegs behaupten: ein deutscher Kurzspielfilm aus dem Jahr 2015, der Overacting im Stile besserer Telenovelas bereithält. Der Streifen um ein Pärchen, dessen romantischer Tatort-Abend durch einen hilfsbedürftigen Fremden gestört wird, mag zwar eine wichtige Botschaft haben, setzt diese aber mit seiner Moralin-Druckbetankung ziemlich in den Sand.

Eine Entschädigung dafür bietet gleich darauf Load, ein Animationsfilm aus Israel. Selten sah man den Ballast der eigenen Vergangenheit, aber auch das Festhalten an lieb gewonnenen Erinnerungen so schön und melancholisch in Szene gesetzt. Der Protagonist auf seinem fragilen Schlauchboot auf dem endlosen Meer ist eine unbedingte Empfehlung – und muss als heißer Anwärter für die Preisverleihung gelten.
Mit einer sehr ähnlichen Thematik rundet Gueule de loup den Höhepunkt dieses Filmblocks ab: Das Festhalten an und unvermeidliche Hinter-sich-lassen von Lebensabschnitten, gezeigt am Beispiel eines kleinen Mädchens und ihrer geliebten Wolf-Handpuppe, überzeugt mit einem Mix aus kindlicher Phantasie und wunderschönen Naturaufnahmen der französischen Alpen. Bewegend und nostalgisch, ohne kitschig zu werden.
Der Tatsache, dass mancher auch aufgrund ökonomischer Krisen, Jobverlust oder ähnlicher Widrigkeiten sein bisheriges Leben für immer hinter sich lassen muss, widmen sich schließlich die letzten beiden Filme des Blocks, die Dokumentation Stuck in the Cities und der Kurzspielfilm Leona. Letzteren konnte man, mit der alleinerziehenden und schuldengeplagten Mutter, als passende Einstimmung auf den anschließenden zweiten Filmblock des diesjährigen Länderschwerpunktes sehen, denn auch dieser versprach den Zuschauern nicht nur eine heile Familienwelt.

Familie auf Finnisch
Dass Finnland nicht nur mit Saunen und gutem Schnaps aufwarten kann, zeigten die Beiträge gestern im gut besuchten Großen Saal des Volksbads. Die Schwierigkeiten, wenn man plötzlich die Verantwortung für ein kleines Kind übernehmen muss – vor allem, wenn das anfangs unfreiwillig geschieht – zeigten beispielsweise der Kurzfilm Sirocco und der Animationsfilm No time for toes. Was solche kleinen Kinder sehen, wenn sie hinten auf dem Sitz des Fahrrads mit ihren Müttern und Vätern mitfahren, zeigte der erste Beitrag A seat with a view – und passte dabei wunderbar zu dem Sprichwort: Kindermund tut Wahrheit kund.
Wenn Teenager ihren Elternteil dabei beobachten, wie sie sich neu verlieben, muss man hingegen nicht viele Worte hören, wie On your lips zeigte. Man konnte es dem 12-jährigen Viljami merklich ansehen, dass er mit der Situation nicht klarkommt. Hinzu kommt dabei noch seine erste Erfahrung mit dem anderen Geschlecht – und ihm wird klar, der Schritt aus der Kindheit ins Älterwerden und Heranwachsen schneller getan ist, als man vielleicht möchte. Und damit war auch dieser Filmblock des finnischen Länderschwerpunkts eine kleine Erinnerung daran, wie schnell manche Dinge – auch der kurze Film – vorübergehen.

Wettbewerb 5 („Erstarrt“) läuft nochmals am heutigen Samstag ab 19 Uhr im Volksbad (Kleiner Saal). Anschließend findet die große Preisverleihung statt.


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