von Nelly
„Bücher, über die man spricht“ heißt der kleine Katalog des Goethe-Insituts, der alljährlich auf die vielversprechendsten Neuerscheinungen des deutschen Buchmarktes aufmerksam macht. Gleich auf der ersten Seite ist es vermerkt, das neueste Buch der rumänischen Schriftstellerin Carmen-Francesca Banciu:
„Das Lied der traurigen Mutter“. Nicht umsonst wird es als erstes genannt: Für mich ist es eines der schönsten Bücher überhaupt.
Banciu widmet sich mit diesem Roman dem gestörten Verhältnis zu ihrer Mutter, beschreibt einfühlsam den Druck, der als Kind auf ihr lastete, der vom Ehemann ungeliebten, vom Leben verhärteten und vom Kommunismus verblendeten Frau, ihrer Mutter, zu genügen. Am Sterbebett der Mutter beginnt die Geschichte und dort endet sie mit der Frage, je geliebt zu haben, verstanden worden zu sein, selbst eine gute Mutter zu werden. Dazwischen erklärt sich dem Leser der rumänische Kommunismus, der in besonders schlimmen
Ausmaßen die Bevölkerung belastete.
Essensrationen und die Vier-Kinder-Politik konnten Bancius Eltern jedoch nicht abhalten sich in der Partei zu
engagieren, bis sie ihre vorteilhaften Stellungen einbüßten, weil die 18- jährige Banciu eine Demonstration
gegen das System organisierte. Die einfühlsame Geschichte verpackt die Autorin behutsam in einem außergewöhnlichen Stil. Die Romanform ist geprägt von parataktischen Sätzen, von kurzen Absätzen, von
vielen Fragen, die sich Banciu selbst stellt. Sie lässt ihre Beantwortung offen, sei es, um die Mutter nicht zu
verurteilen, sei es, weil sie die Antworten wirklich nicht weiß. Auch wenn die Fragen unbeantwortet bleiben, scheint sich Banciu von ihrer Last zu befreien und schafft einen Roman, der fesselnd, lehrreich und rührend zugleich ist.
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