von rokko rehbein
Man starrt auf die riesige Leinwand und glaubt der Fülle der Dias nicht. Untermalt von plastischen Anekdoten zieht jedes Bild einen Vorhang auf, hinter dem sich eine Welt verbirgt, ein Abenteuer, eine Geschichte von zwei Menschen, die 16 Jahre lang alle Kontinente bereist haben und nun gelegentlich Diavorträge darüber halten; aufgeräumt und mit dem grundlegenden Humor, den solch eine Reise voraussetzt und produziert. Souverän schmunzeln beide über die unplanbare Schönheit jedes einzelnen ihrer 257.000 Kilometer, die sie zurückgelegt haben – und von denen ihr Buch handelt.
Neben ihren Diavorträgen nutzen sie dieses Buch, um ihre Geschichte zu erzählen. „Abgefahren. In 16 Jahren um die Welt“ rekapituliert die Geschichte von Klaus Schubert, der zusammen mit seiner Freundin Claudia Metz die Idee hat, nur auf Motorrädern zu seiner Schwester in Japan zu reisen. Beide sind Anfang 20, ihr Heimatort ist Köln, man schreibt das Jahr 1981 und vor ihnen liegen nicht nur unendlich viele Kilometer, sondern auch ein Kontinent mitten im Kalten Krieg. Was als zehnmonatige Reise über den Landweg – die Stationen lauten Jugoslawien, Griechenland, Türkei, Iran, Pakistan und Indien – gedacht ist, mündet schließlich in einen Lebensentwurf, der das Reisen zur Normalität und das Nomadentum zur Freiheit erklärt. Dabei entdecken die beiden nicht nur die Gastfreundschaft der Menschen, sondern erfahren auch, wie brüchig das Leben sein kann: Klaus wird fast von einer Kokosnuss erschlagen, beide überleben einen Taifun, weil ihre Hütte als einzige stehen bleibt. Sie geraten in China in Gefangenschaft, weil man sie als Spione der Bundesrepublik erachtet, und mehrmals landen sie mit ihren Motorrädern im Straßengraben.
Doch genau das ist das Faszinierende an ihrer Geschichte: die Kombination aus Mut, Glück und dem unumstößlichen Glauben an sich selbst und die Menschen. So bluffen sie, um China verlassen zu können, bauen ihre Motorräder für eine Amazonasüberquerung zu Amphibienfahrzeugen um und durchfahren Krisengebiete – weil sie selbst erfahren wollen, wie die Menschen dort leben. 16 Jahre passen in kein Buch, daher erwartet den Leser kein zusammenhängender und durchweg spannend geschriebener Reisebericht. Aber das muss er auch nicht sein, denn der bloße Fakt der Authentizität macht „Abgefahren“ lesenswert. Wovon viele träumen, ist also doch nicht unrealistisch, sondern nur eine Prise Mut und Glauben entfernt … wie das unplanbare Glück, nicht draufzugehen, wenn es am schönsten ist.
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