Endlich ein kleiner kultureller Lichtblick: Das cellu l’art Kurzfilmfestival ist genau das richtige für ein graues Vorweihnachtswochenende. Und hält was es verspricht – es bricht mit Gewohnheiten, sowohl bezüglich seiner filmischen Inhalte als auch seiner Umsetzung.
Macht die Pandemie unser Leben eher zu einer immerwährenden Routine, der wir kaum noch entkommen oder bedeutet sie das Gegenteil, dass wir unsere liebgewonnen Gewohnheiten hinter uns lassen mussten, um täglich im Neuland zu improvisieren? Mit der Frage, was Routine bedeutet und was passiert, wenn sie plötzlich durchbrochen wird, beschäftigt sich der Themenblock „Breaking the habits“ des diesjährigen cellu l’art Kurzfilm-Festivals. Dabei ist das Festival selbst ein Beispiel für Veränderung: Nach zwei gescheiterten Versuchen, ein Präsenzfestival zu ermöglichen, findet es nun online statt. Auch der Publikumspreis wird über ein Online-Votum vergeben. Dabei haben sich die Organisatoren des Festivals wahrscheinlich eine sehr gute Zeit für dieses neue Veranstaltungsformat ausgedacht – kurz vor Weihnachten, in der dunkelsten Zeit des Jahres, kommen gute Filme, die man alleine und gemütlich unter einer Decke eingewickelt anschauen kann, gerade recht.
Die zusammengestellten Kurzfilme betrachten dabei das Thema der Routine aus ganz unterschiedlichen Perspektiven – mal mehr mal weniger naheliegen. Das Leben des Leuchtturmwärters in Fyrvaktaren ist im wahrsten Sinne grau – routiniert, einsam, mitten in der norwegischen Einöde, wo das hellere grau des Himmels fließend in das dunklere des Meeres übergeht. Doch dann spült die Flut eines Tages eine verletzte Meerjungfrau an den Strand – und krempelt das Leben des Mannes um. Auf eine Art und Weise, die kein zurück in die alte Routine mehr zulässt und die den Wärter dazu bringt, sich endlich Dinge einzugestehen, die er schon längst weiß.
In Krähen schießen verschwimmen naturalistische, fast schon dokumentarische Darstellungen von Krähen mit deren mythologischer Bedeutsamkeit zu einer angedeuteten Kriminalgeschichte, die nur von dem Verhalten der Vögel selbst, der mystischen Landschaft, der sphärischen Musik und den sparsamen Worten des Erzählers getragen wird.
Besonders beeindruckend ist die Dokumentation Swatted, wo Gamer*innen darüber berichten, wie Online-Belästigung so sehr ausarten kann, dass Fremde eine Gewalttat bei der Polizei in der Wohnung der gamenden Person melden, um ein Stürmen der Wohnung zu provozieren – wobei sie Tote und Verletzte in Kauf nehmen. Allerdings fällt sie thematisch sehr aus der Reihe, betrachtete nicht das Alltägliche und die Flucht daraus, sondern die dunkelste Seite einer eigentlich sehr netten Aktivität. Die Dokumentation beeindruckt auch visuell, sie spielt mit der Bildsprache von Computerspielen, aber zerlegt sie gleichsam und setzt sie Stück für Stück neu zusammen.
Damit bietet das cellu l’art genau das, was sein „Breaking the Habits“ verspricht: einen Ausbruch aus dem gewohnten, cineastischen Einheitsbrei. Das ist manchmal anstrengend, meistens sehr schön, aber durchgängig lohnenswert.
Für alle, die sich ebenfalls für Kurzfilme begeistern können, gibt es hier das komplette Programm des Festivals.
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