Bist auch du verliebt in dein Smartphone?

Ist dein Smartphone der wichtigste Teil deines Lebens? Könntest du dir keinen einzigen Tag ohne vorstellen? Hast du manchmal das Gefühl, ihr fühlt eine Abhängigkeitsbeziehung? Ein paar Denkanstöße, die dabei helfen können, den Weg aus der toxischen Beziehung zu finden.

von Annika Malin

Wir nehmen unsere Smartphones mit ins Bad, unterwegs hören wir Musik, während der Vorlesung entsperren wir den Bildschirm und antworten auf Nachrichten. Wir telefonieren auf dem Weg zur Bahn, scrollen uns an der Bushaltestelle durch Soziale Netzwerke und checken schnell die Uhrzeit an der roten Ampel. Wenn wir nachts nach Hause laufen, gibt uns das Smartphone in der Hosentasche ein Gefühl von Sicherheit. An irgendeinem Punkt sind diese viereckigen Kästen unsere treuesten Begleiter geworden. Manchmal fühlt es sich so an, als führte ich eine toxische Beziehung zu meinem Handy. Ich brauche es, will wissen, was es mir zu erzählen hat, kann nur schwer ohne es. Aber gleichzeitig weiß ich, dass es mir nicht guttut. Nach langer Bildschirmzeit werde ich nervöser, nehme meine Umwelt weniger wahr. Es fällt mir schwerer, mich auf andere Dinge zu konzentrieren, wenn mein Handy neben mir liegt.

Ich brauche eine Beziehungspause. Morgens stehe ich auf, ohne einen Blick auf mein Smartphone zu werfen. Ich lege es schon abends weit weg. In den Flur oder auf meinen Schreibtisch – die räumliche Trennung macht es leichter. Mein analoger Wecker klingelt. Ich stehe auf, ohne minutenlang auf mein Handy gestarrt zu haben. Wenn ich schon beim Aufstehen in den verwirrenden Tiefen Instagrams versinke, bin ich spätestens nach dem Frühstück so überwältigt, dass ich wieder schlafen gehen will. Eine Sache, die ich gelernt habe: Wenn man sich dafür entscheidet, sein Handy weniger zu benutzen, heißt das nicht, dass man sich automatisch besser fühlt. Es entstehen Lücken am Tag. Momente, in denen ich sonst kurz meine Nachrichten gelesen habe, nun aber nichts mehr mache, sind manchmal schwer auszuhalten. Es kostet mich viel Kraft, mit einem Tee in der Küche zu sitzen und einfach nur zu starren. Die einfache Ablenkung, die das Internet bietet, fehlt. Nur mit meinen Gedanken zu sitzen, ist ungewohnt. Ein paar Alternativen zum Internet, wenn ich die Stille mal nicht aushalte: Beim ersten Kaffee oder auf dem Klo in Magazinen, Ausstellungskatalogen, Fotobänden blättern, im Café Sudoku spielen, Radio hören.

Wenn ich mich danach fühle, schalte ich irgendwann den Flugmodus meines Smartphones aus. Dann prasseln die Nachrichten ein und überwältigen mich kurz, aber ich sage mir, dass das okay ist und dass ich antworten kann, wann ich will. Die meisten Apps der Sozialen Netzwerke habe ich gelöscht. Wenn ich mal etwas posten möchte, lade ich mir die App kurz runter, lösche sie dann aber wieder augenblicklich. Es ist seltsam, wie es zu einem Automatismus wurde, auf Instagram zu gehen. Manchmal hat meine Hand die App geöffnet, bevor ich überhaupt wusste, was ich da mache.

Wenn ich nach draußen gehe, lasse ich mein Smartphone gerne Zuhause. Ich habe gar nicht die Möglichkeit, nochmal schnell zu googlen, wann der Bus kommt. Stattdessen habe ich Zeit und einen freien Kopf, um zu hören und zu sehen, was um mich herum geschieht. Wenn ich nicht irgendwann aufgehört hätte, unterwegs prinzipiell Musik zu hören, hätte ich schon so einige witzige Gespräche und spannende Momente nicht miterlebt. Mir gefällt es, wahrzunehmen, was um mich herum geschieht und mich nicht konsequent von der Außenwelt abzuschotten. Matt Haig schrieb, dass wir mit einem Fuß stets im „great digital nowhere“ stehen. Ich will lieber mit beiden Füßen in der realen Welt gehen.

Für den Fall, dass ich unterwegs doch telefonisch erreichbar sein möchte, liegt in meiner Schreibtischschublade ein altes Tastenhandy, in das ich schnell die Sim-Karte einlege. Mein Smartphone vereint den iPod, die Uhr, den Wecker, das Telefon, die Briefe, die Kamera in einem Gerät. Das ist sehr praktisch, aber ich glaube, wenn man unabhängiger von dem viereckigen Kasten werden möchte, lohnt es sich, wieder zu einem iPod, einer Uhr und all den anderen Helfern zu greifen. Dann ist das Smartphone irgendwann nur noch ein funktionales Ding, mit dem ich telefoniere und Nachrichten verschicke und nicht mehr mein unverzichtbarer, reizüberflutender Dauerbegleiter.

P.S.: Am schnellsten und effektivsten wird man seine Liebe zum Smartphone übrigens los, wenn man es verliert oder sich ausversehen klauen lässt.


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