Aufruhr im Saaletal – Der aktivistische Jahresrückblick 2008

von fabik

Januar/Februar

Während die Junge Gemeinde am 22. Januar mal wieder Ziel eines Nazi-Überfalls wird, verletzten Unbekannte den stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden Ralf Wohlleben und den Betreiber des Braunes Hauses in Lobeda. In der Jenaer Innenstadt demonstrieren unterdessen ca. 50 Menschen gegen rechte Gewalt.

Ungeachtet des aktivistischen Winterschlafes, der Jena befallen zu haben scheint, verschönert unterdessen eine eine junge Studentin die Innenstadt mit ironischen, kapitalismuskritischen Graffities.

März

Eine kleine Gruppe Studenten führt mehrere Kurzbesetzungen leerstehender Gebäude in Jena durch und schmückt die Fassaden mit selbstgemalten Transpis. Sehr schön!

April/Mai

Am 19. April kündigen 350 Erstunterzeichner des „Jenaer Aktionsnetzwerks gegen Rechtsextremismus“ Blockaden beim im September stattfindenden „Fest der Völker“ an. Drei Tage später demonstrieren bis zu 300 Studenten auf dem Ernst-Abbe-Campus gegen die Hochschulrektorenkonferenz und Präsidialherrschaft an der FSU. Während einige der Demonstrante es schaffen die Konferenz zu stören, ruft eine neue Verschönerungsaktion auf Stromkästen und Laternenmästen zur Freiheit im Handeln auf.

Der aktivistische Mai steht ganz im Zeichen des 450-Jahr-Jubiläums der FSU. Das Gesicht von Rektor Klaus Dicke wird erst mit einer Sahnetorte verziert und dann mit Königskrone auf dem Campus zur Schau gestellt, während ca. 50 Studenten gegen fehlende Mitsprachemöglichkeiten an der FSU protestieren.

Juni/Juli

Mit einer Sitzblockade gegen eine NPD-Schulungsveranstaltung beginnt am 14. Juni Jenas antifaschistischer Sommer. Nachdem nach einigem Gerangel und einem kleineren Polizeieinsatz die Veranstaltung doch beginnen kann, treffen sich Demonstranten am 26. Juli erneut vor dem Braunen Haus, während Kampflieger Rudolf von Hitlers positiver Bedeutung für Deutschland erzählt.

August

Während das „Fest der Völker“ nun offiziell in Altenburg stattfinden soll, wird die Tür zur UNIQUE-Redaktion Opfer des ominösen Bob-Klebers. Mehr als 2.000 Aufkleber der „Church of the Subgenius“ prangen mittlerweile an Jenaer Verkehrsschildern und Laternenmasten. Schweinerei!

September

Aufwärmen fürs „Fest der Völker“: Vor dem Nazi-Bekleidungsgeschäft „Madley“ in der Wagnergasse versammeln sich ca. 30 Menschen zu einer Spontandemo. Es kommt zu lebhaften Diskussionen mit dem Ladeninhaber.

Per Buskonvoi geht es wenig später für 650 Jenaer in die Skatstadt Altenburg, um dort gegen das ausgelagerte „Fest der Völker“ zu demonstrieren. Ca. 2.000 Gegendemonstraten verbringen den Tag, abgesehen von kleineren Rangeleien, friedlich auf dem Boden sitzend. Letztendlich bleibt der Erfolg gering. Während 1.200 Nazis aus ganz Europa noch bis in die Abendstunden zwischen Plattenbauten herumgrölen, sind die meisten Demonstranten längst wieder abgereist. Auf ein Neues in diesem Jahr!

Oktober/ November

Die Jenaer Aktivistenszene scheint nur langsam aus dem Hausarbeitenurlaub zurückzukehren. So finden sich im Oktober nur ein paar Farbeier am ALDI in Winzerla – verbunden mit der Forderung europäische Agrarsubventionen zu stoppen.

Am 9. November ersetzten sieben Studenten einige Pflastersteine auf dem Abbe-Campus durch Topfpflanzen und heißen damit studentische Neuankömmlinge willkommen. Einige Tage später prangt vom Unigebäude am Ernst-Abbe-Platz ein Transparent, welches mit Hausbesuchen droht und damit zur Hausbesetzerdemo in Erfurt einlädt.

Dezember

Nachdem griechische Polizsten einen 15-jährigen Schüler erschossen hatten, solidarisierten sich einige Dutzend Jenaer Bürger an drei aufeinander folgenden Tagen mit den griechischen Demonstraten und fordern zugleich die Aufklärung des Todes des Asylbewerbers Oury Jalloh, der in einer Dessauer Polizeizelle bei lebendigem Leibe verbrannte. Als ob die Verwirrung der Weihnachtsmarktbesucher damit noch nicht ausreichte, fordert eine Gruppe konsumkritischer Weihnachtsmänner Jenaer Bürger zum spenden auf. In den Jenaer Bibliotheken prangen unterdessen kolumbianische Klebezitate in fast 3.000 Büchern, während bis zu 800 Schüler für bessere Bildungsbedingungen demonstrieren. Zum Jahresabschluss versucht die Gruppe „Denken macht schön“ tausende Weinachtsanhänger unter die Studentschaft zu bringen, muss aber schließlich vor der Wegwerfwut der Uni-Wachmanschaft kapitulieren.


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