Auf der Erfurter Herbstlese las der Soziologe Hartmut Rosa vor ausverkauftem Haus aus seinem aktuellen Buch Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung.
von Martin
„Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung“ – so lautet das inzwischen vielzitierte Credo des Jenaer Soziologen und Direktors des Erfurter Max Weber Kollegs, Hartmut Rosa. Bereits mit seiner Gesellschaftdiagnose der sozialen Beschleunigung hat Rosa einen Nerv getroffen und eine Beobachtung, die vielen Menschen in ihrem Alltag machen – und darunter leiden – wissenschaftlich aufgearbeitet. Ihm sei es wichtig, dass Wissenschaft nicht nur in ihrem Elfenbeinturm über Probleme brühte, sondern diese auch den Menschen etwas zurückgeben müsse. Das war auch der Anlass für Rosas aktuelles Werk Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung, in dem versucht wird, eine Lösung für das Problem der Entfremdung erzeugenden Beschleunigung zu finden, denn die Lösung kann laut Rosa nicht in einem konträren Ansatz der Entschleunigung liegen, sondern müsse vielmehr die wesentlichen Grundlagen einer wieder gelingenden Weltbeziehung in den Blick nehmen.
Dieser Aufgabe stellte sich Rosa auch auf der Veranstaltung der Erfurter Herbstlese am 11. Oktober im Haus Dacheröden, bei der er seine Thesen vortrug – unterstützt von Katharina Held, die einen Auszug aus Resonanz vorlas. Die Lesung war, wie zu erwarten, schon weit im Vorfeld ausverkauft, denn Resonanz war nicht nur ein Sachbuchbestseller, sondern ist auch ein inzwischen breit vernommen und diskutiertes Thema. Rosa war vor allem wichtig, deutlich zu machen, dass Resonanz eben nicht durch die Vergrößerung von Weltreichweite erzeugt werden könne – wie beispielsweise die Werbung suggerieren möchte –, sondern dass Resonanz als unverfügbarer Moment eine Form von gelingenden In-Beziehung-Tretens zur Welt ist, in der sich Subjekt und Welt gleichermaßen berühren und verändern. Diese Momente sind weder plan- noch konsumierbar, sondern liegen in der Art und Weise begründet, wie Menschen Welt „erfahren“ können.
Mit seinem mitreißenden Vortrag stieß der Autor auf viel Zustimmung und Anerkennung des Publikums, das im anschließenden Diskussionsteil der Lesung vor allem Verständnisfragen und die Befürchtung äußerte, dass mit den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen die Möglichkeit und Sensibilität für Resonanz abnehmen könne. Dabei wurde deutlich, dass es mitunter nicht ganz einfach ist, die Phänomene der Resonanzsimulation – wie sie z. B. von der Werbung zur Umsatzsteigerung generiert wird – und echte Resonanz auseinander zu halten. Es ist gerade dieser Punkt, der die Bedeutung der Resonanzidee verdeutlicht: Denn ein gelingendes Leben kann nur in einem Gemeinwesen möglich sein, dass möglichst viele Möglichkeiten für die Entwicklung der individuellen Resonanzsensibilität und -fähigkeit bereitstellt.
Hartmut Rosas Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung ist bei Suhrkamp erschienen.
(Foto: © Universität Erfurt / Buchcover: © Suhrkamp Verlag)
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