Am gestrigen Samstag bot die KulturArena beim zweiten Themen-Abend nach dem „Migration Blues“ im Juli zwei außergewöhnlichen Musik-Acts aus Nordafrika eine Bühne.
von Ladyna & Frank
Sie wolle mit ihren Konzerten unterschiedlichste Menschen zusammenbringen, hatte uns die tunesische Singer-Songwriterin Emel Mathlouthi vor dem Konzert verraten. Dass ihr das an diesem Abend gelingen würde, zeichnete sich bereits während der ersten Akkorde ab, als das herbeiströmende bunt gemischte KulturArena-Publikum noch damit beschäftigt war, seine Regenponchos trocknen zu schütteln. Als kurz danach die gewaltige Stimme der jungen Frau über den Theatervorplatz strömte, konnte man sich an das Opening eines Blockbuster-Films erinnert fühlen – nur dass man statt einer Leinwand eben jene tunesische Sängerin vor sich hatte, die oft als „Stimme des arabischen Frühlings“ bezeichnet wird: In der tunesischen Jasmin-Revolution war ihr Song „Kelmti Horra” (engl.: „My word is free“) zu einem viralen Hit geworden, der auch von Protestierenden in anderen Ländern wie Ägypten aufgegriffen wurde.
Die zierliche Frau im weißen Kleid auf der Bühne hatte in Jena allerdings eine andere politische Botschaft im Gepäck, webte in ihre emotional aufgeladenen Klangteppiche Kapitalismuskritik und den Schrei nach mehr Humanismus ein: Sie singe „für die vielen Menschen, die die Last tragen müssen, damit ein geringer Prozentsatz seine Macht genießen kann“. Besonders nahe gingen ihre Songs vor allem dann, wenn sie in ihrer Muttersprache sang, während ihre Stimme von treibenden, modernen Rhythmen umspült wurde. Darunter fanden sich massenkompatibler Electro- und tanzbare Oriental-Sounds ebenso wie folkloristisch angehauchte New-Age-Musik a lá Enya.
Hatte sich hier also der musikalische „Kulturschock“ für das Jenaer Publikum wohl noch einigermaßen in Grenzen gehalten, bot sich mit dem zweiten Act des Abends ein noch außergewöhnlicheres Erlebnis für Augen und Ohren der Anwesenden. Man könnte versuchen, es so zu beschreiben: Hätte Gitarrenkönig Carlos Santana ein geheimes Side-Projekt, bei dem er Chèche oder Turban tragen und auf Tamaschek traditionelle Tuareg-Melodien mit zielstrebigen Gitarrenriffen verquicken würde, klänge das Ergebnis wahrscheinlich wie Tinariwen. Die Klangsprache der angeblich ersten Tuareg-Band, die elektrische Gitarren verwendete, ist ebenso direkt und schnörkellos wie atmosphärisch dicht. Bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren entwickelten sie einen kraftvollen Bluesrock und veröffentlichten in diesem Jahr ihr mittlerweile siebtes Album. Tinariwen zeigten bei ihrem Jenaer Auftritt klar erkennbare Anleihen westlicher Gitarrenrock-Vorbilder, wobei mancher im Publikum Beine und Hüften nicht mehr stillhalten konnte.
Auch wenn man von einem solchen musikalischen Abend nicht zu viel erwarten sollte – vielleicht boten die Musiker ja wenigstens manchem Besucher einen Anlass, die Maghreb-Region nicht bloß, wie derzeit in Mitteleuropa üblich, mit negativen Assoziationen zu verbinden.
Schreibe einen Kommentar