PRO
von LuGr
Nach dem schwarz-gelben Ausgang der Bundestagswahl wird es interessant sein zu sehen, wie CDU und FDP zusammen das Thema Verteidigungspolitik – im Wahlkampf ja nahezu untergegangen – angehen werden. Während die Liberalen die Wehrpflicht abschaffen und die Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee umformen wollen, setzt die Union angesichts der „neuen Bedrohungen für die Sicherheit unseres Landes“ auf das Unwort des Wahlkampfjahres: Nachhaltigkeit. Auslandseinsätze sollen ihrer Meinung nach ausgeweitet werden – auch in Krisenregionen.
Um die Sicherheit der deutschen Demokratie gewährleisten zu können, müssen jedoch auch Opfer gebracht werden, Opfer fernab der eigenen Landesgrenzen. So geschehen erst Mitte September bei Kunduz in Afghanistan, als bei einem von der Bundeswehr angeforderten Luftangriff auf einem Tanklastzug 119 Menschen ums Leben kamen – darunter 30 Zivilisten. Das kann und darf eben mal passieren im Eifer des Gefechts. Dem gegenüber stehen nämlich die Opfer der Bundeswehrsoldaten, die tagtäglich mit Todesangst konfrontiert werden. Nicht wenige von ihnen trugen schon Traumata davon.
Wo für die Grundfesten der Demokratie, für Frieden und Freiheit gehobelt wird, da fallen nun mal auch Späne. Und so wird für eine gute Sache fürs Vaterland getötet: gegen Unterdrückung und Tyrannei. Der potenzielle und oft subversiv agierende Feind der Demokratie muss heute ausgeschaltet werden, wenn er sich nicht morgen mitten unter uns gemischt haben soll.
Auch Deutschland ist ein Teil des weltweiten Gefahrenraums, in dem sich die Terroristen tummeln. Wenn unsere Freiheit nach Außen auch mit Waffengewalt verteidigt werden muss, wenn der Demokratisierungsprozess in andereren Länder nur mit feindlichen Opfern zu erreichen ist, dann lohnt es sich zu töten. Wir haben es so gewollt, können wir den beschrittenen Pfad des Blutes so kurz vor der Erreichung des höheren Ziels doch nicht mehr verlassen – alle wären sonst umsonst gestorben. Das wäre dem Feld der Ehre nicht würdig.
CONTRA
von Luth
Am familiären Abendbrottisch tobte einst eine hitzige Diskussion: Angenommen, ein Krieg sei ausgebrochen und feindliche Soldaten stünden plötzlich in unserer Wohnung. Wie ich mich verhalten würde, fragte mein Vater, sie oder wir? Ich würde uns lieber alle erschießen lassen, um nicht selbst töten zu müssen – meine Lösung dieses moralischen Dilemmas gefiel ihm überhaupt nicht, die Stimmung war versaut. Kurze Klarstellung: Meine Eltern sind überzeugte Pazifisten, mein einziges Kriegsspielzeug war ein rotes Hartgummi-Indianermesser.
Der springende Punkt ist aber: Besonders Sicherheitspolitiker erklären Kriege und das damit zwangsläufig verbundene Töten gern zu „komplexen“ Sachverhalten, die eben „nicht einfach zu vermitteln“ seien. Tatsächlich ist der „Sachverhalt“ recht simpel: Wer jemanden tötet (völlig egal, ob Soldat oder Zivilist, ob Befehl oder nicht), erhebt sich damit zum Richter über das Leben anderer Menschen. Er beruft sich auf das „Recht des Stärkeren“, auf Notwehr, seinen Überlebensinstinkt oder dass der „Feind“ den Tod im entscheidenen Augenblick etwas mehr „verdiene“ als man selbst.
Dazu kommt, dass Töten für militärische „Zwecke“ immer willkürlich geschieht. Allein der Zufall entscheidet, wer einem auf dem Schlachtfeld vor die Flinte rennt. Es dient niemals individuellen Zielen (es sei denn, man ist ein pathologischer Lustmörder), sondern allein einer fremden, i.d.R. anonym bleibenden Macht und deren Selbsterhalt. Man tötet und stirbt niemals fürs „Vaterland“, sondern allein und damit ganz oben alles so bleibt, wie es ist.
Die Losungen „Stell’ Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin!“ und „Soldaten sind Mörder“ bleiben daher topaktuell. Die kollektive Überwindung der angeborenen Tötungshemmung funktioniert nur so lange, wie es genügend skrupellose Idioten gibt, die sich für Sold, aus Abenteuerlust oder Rassismus vor fremde Karren spannen lassen oder es einfach nur „männlich“ finden, mit einer großkalibrigen Wumme anderen das Lebenslicht auszupusten. Deswegen macht sich jeder Soldat, der abdrückt, auch weiterhin zum Mörder, und ein getöteter Krieger ist eben kein Held, sondern nur eine missbrauchte Marionette.
Bild: Sturmtrupp geht unter Gas vor (Detail eines Gemäldes von Otto Dix).
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