Markus Gasser, der schon Das Buch der Bücher für die Insel in die Bestsellerlisten geführt hat, versucht nun, die Geschichte der Welt anhand von 33 ausgewählten Romanen zu erzählen. Kann das gelingen?
von Frank
Die größten Deutschen, die besten Filme, das erfolgreichste Rockalbum: Der Trend zu Hit- und Ranglisten aller Art hat die mediale Öffentlichkeit (und das Internet umso mehr) schon seit einigen Jahren im Griff. Markus Gassers Weltgeschichte in 33 Romanen hebt sich schon rein optisch, mit edlem Einband und zwei Lesebändchen, von solchen Spielereien ab. Offenkundig will der Autor eben nicht Ranglisten erstellen oder kanonisieren: Er bietet vielmehr eine Reise in die Vergangenheit anhand ausgewählter Historien-Romane, die längst nicht alle in der Zeit entstanden sind, die sie behandeln.
Für den habilitierten Literaturwissenschaftler Gasser ist der jeweilige Schriftsteller kein allwissender Chronist – dafür aber jemand, dessen Version der Vergangenheit Gewicht hat: „Nie werden wir hautnah in Erfahrung bringen, wie die Vergangenheit wirklich war; doch was Schriftsteller ihren Fundstücken abgewinnen konnten, wiegt das Verlorene auf“, ist Gasser überzeugt, „und manches Werk besitzt solche Lebendigkeit, daß es sich gegen jede historische Berichtigung zu behaupten weiß“, fährt er fast romantisierend fort.
Seine im Schnitt knapp zehn Seiten langen Essays folgen zwar der Chronologie der Handlungszeit, können aber durchaus auch einzeln gelesen werden. Viele der Namen, die in dem Buch vertreten sind, erwartet man in solch einer Kompilation fast zwangsläufig, etwa Thomas Mann, Stefan Zweig, Umberto Eco, Lew Tolstoi. Durch die Beschränkung auf Romane (inwieweit Homers Ilias als Roman durchgeht, sei hier mal dahingestellt) fehlen Literaten wie William Shakespeare, dessen historische Dramen bis heute die Vorstellung von Julius Cäsar oder Heinrich VIII. prägen.
Eine Weltgeschichte in 33 Romanen birgt natürlich unzählige Anregungen für den nächsten Bücherkauf, auch dank der Quellenangaben zu jedem Kapitel im Anhang, das neben den Primärwerken auch vertiefende Sekundärliteratur zu Autor und Weltepoche auflistet. In seinem Buch der Bücher für die Insel, in dem der belesene Österreicher in 50 Kapiteln Leseproviant für die sprichwörtliche einsame Insel vorgestellt hatte, waren noch Werke abseits des Roman-Genres vertreten; seinerzeit wie im aktuellen Fall bleiben weibliche Literaten dabei deutlich in der Unterzahl. Hatte Gassers Insel-Buch aber noch eine Art Panoptikum der (vornehmlich westlichen) Weltliteratur vorgelegt, orientiert sich seine Auswahl diesmal auch abseits der westlichen Literaturnationen: So finden auch afrikanische und asiatische Autoren ihren Platz in seiner Weltgeschichte in 33 Romanen. Fast nebenbei wird das Buch damit auch eine kleine Weltreise der Handlungsorte – abseits der „klassischen“ europäischen (Kultur-)Metropolen wie Paris oder London lesen wir uns etwa nach Mexiko, Thailand oder Nigeria.
Gasser führt durch sein Buch als allwissender Erzähler: Er kennt Inhalt, Autor und Entstehungskontext der Werke, hat jedes davon vermutlich schon zigmal gelesen. Das ist schade für alle Leser, die das nicht von sich behaupten können, erscheint für sie dieses Buch eines Belesenen für Belesene doch nicht selten kryptisch – was auch an Gassers sehr ausgefeilter, bisweilen blumiger Formulierungsweise liegt. Er schreibt stilistisch anspruchsvolle und ungemein dichte Sätze, wirkt aber dabei mitunter auch sperrig, wenn er sich in Metaphorik und schöngeistiger Feuilleton-Sprache verliert. Er erzählt das von anderen Erzählte, als könnte es anders gar nicht gewesen sein; als Ergebnis steht eine von vielen denkbaren Weltgeschichten – und zwar die Gassersche.
Markus Gasser:
Eine Weltgeschichte in 33 Romanen
Hanser 2015
304 Seiten
19,90 €
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