Im Sommer und Herbst 2012 sorgte das performative Kunstprojekt BavarianTaliban in Bayern für ziemlichen Wirbel. Bewaffnete Taliban in Lederhosen, dazu das Bekenntnis zu einem fiktiven Land – was soll das?
von Makito
Al-Qaida. Taliban. ISIS. Sofort springt bei vielen die assoziative Maschine an und spuckt Bilder aus: von bärtigen Männern, mit Turbanen und Kalaschnikow um die Schulter. Ein medial erzeugtes, oft sehr negativ konnotiertes Klischee. Aber was passiert, wenn solche Gotteskrieger Lederhosen zu Turban und Waffen tragen? Zwei Männer riefen 2012 im bayerischen Bergland das fiktive Land Bavaristan aus. Und zwar genau in der genannten Aufmachung. Sie sorgten bei Anwohnern, Polizei sowie Politik für Verärgerung, Verwirrung und Belustigung. Die Kunstfiguren Omar Müller und Alois Osama spielen mit stereotypen Bildern der Taliban aus den Medien und der bayerischen Tradition. Hinter den Lederhosen tragenden Gotteskriegern stecken der Theaterwissenschaftler Markus Hank und der Politikwissenschaftler Hamon Tanin.
Beide haben ähnliche Erfahrungen mit traditionellen Strukturen gemacht: mit fundamentalistischem Glauben und dem Rückständigen in der Gesellschaft. Der eine in Afghanistan, der andere eben in Bayern. „Als Markus über seine Erfahrungen in Bayern erzählte, war es exakt das, was ich in Afghanistan mit der Denkweise der Menschen erlebt habe.“ So berichtet Hamon von der Entstehung des Projekts. In diesem gehen sie auch auf die mediale Inszenierung der Taliban ein und nutzen die Analogien, die man in afghanischen, und auch in bayerischen Fundamentalismen erkennt. Dabei verschwimmen die Unterschiede zwischen Schützenvereinen und afghanischen Kämpfern. Sie bewegen sich mit ihrem Projekt zwischen den Kulturen, Klischees und Vorurteilen unserer Gesellschaft. Der Betrachter wird zum einem konfrontiert mit vertrauten Elementen, wie etwa den Waffen tragenden Schützen in Bayern, die für die Anwohner zum Stadtbild gehören und zum anderen mit den Taliban, die für uns fremd wirken. Dabei gab es durchaus vereinzelte Kritik an dem Vergleich zwischen bayerischen Schützenvereinen und afghanischen Taliban. „Wie würden Sie reagieren, wenn jemand wie Hamon hier mit einer Waffe durch Bayern laufen würde? Bestimmt anders als bei jemanden, der nicht fremd aussieht und bei dem man erkennt, dass er in einem Verein ist“, so Markus Hank.
Im Zentrum des Projekts standen die sogenannten „Heimatabende“, die das Duo 2012 aufführte: Das Publikum wurde auf die Mischform aus Schauspiel, Lehrstück, Diskussion, Vortrag und Konferenz nicht vorbereitet. Da gab es eine Kettensäge, mit der Baumstämme zersägt werden sollten, das Anzünden und Rauchen einer Wasserpfeife oder das Mitsingen und Klatschen bei deutscher Volksmusik. Zu Beginn versuchten die Zuschauer noch das Schauspiel skeptisch und kritisch zu betrachten, während die beiden ihr Programm vortrugen und dabei in der afghanischen Sprache Dari für das fiktive Land Bavaristan warben.
Und obwohl vielen bewusst war, dass es irgendwie eigenartig war, machten die meisten bei diesen „Heimatabenden“ mit. Dies erklärt sich für das Duo gerade dadurch, dass ein Publikum in einem Theaterbetrieb unterwürfig wird. Es ist für die Künstler ein „soziologisches Experiment“ – sie schafften es, dass man nach zehn Minuten mitklatscht, da sie ein kollektives Gefühl beim Zuschauer erweckten. „Da merkten wir auch, wie Mitläufertum funktioniert“, so der Politikwissenschaftler Hamon Tanin, „wir haben durch unser Projekt herausgefunden, dass es Benzin in der Gesellschaft geben kann und man nur ein Streichholz hinein zu werfen braucht.“
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