Vor 60 Jahren wurde Godzilla das erste Mal auf das Publikum los gelassen – längst ist er japanisches ‚Kulturgut’. Aber was bietet der zweite US-amerikanische Anlauf, die Story um die Monster-Echse zu verfilmen? unique hat den neuen Godzilla-Film vorab gesehen.
von Frank
Was auf den ersten Blick als Koinzidenz erscheint, bildet bei genauerem Hinsehen manchmal einen kausalen Zusammenhang. Das Jahr 1954: Die USA wie auch die Sowjetunion führen Atomwaffentests durch. In Japan kommt derweil ein Film in die Kinos und begründet ein Monster-Franchise, das – so kann man heute sagen – den Kalten Krieg um Jahrzehnte überleben wird. Klar, dass das Monster Godzilla und die Auswirkungen von Kernwaffen miteinander in einer erzählerischen Verbindung stehen; das ist bis heute in den unzähligen Verfilmungen immer wieder aufgegriffen worden, auch im neuesten Godzilla, der dieser Tage in den Kinos anläuft. Doch der sehr reale Vorfall aus dem Jahr 1954, als ein japanisches Fischerboot in den Einzugsbereich eines amerikanischen Atomtests geriet und die Mannschaft schwer verstrahlt wurde, inspirierte den Produzenten Tomoyuki Tanaka dazu, das nicht einmal zehn Jahre zurückliegende Trauma der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki filmisch zu verarbeiten. Das Ergebnis von Regisseur Ishirō Honda begründete in Japan ein eigenes Filmgenre, das des „Kaijū Eiga“ (怪獣映画). Godzilla und viele weitere Ungeheuer waren seitdem die Stars dieser japanischen Monsterfilme. Allein die Riesenechse brachte es in Japan bislang auf 28 Verfilmungen und erhielt 2004 sogar einen Stern auf dem Walk of Fame Hollywoods.
Das Atom und die Echse: von Hiroshima zu Fukushima
Mit dem nun neuen Godzilla (dt. Kinostart: 15. Mai) hat sich nun zum zweiten Mal eine US-amerikanische Filmschmiede an dem Stoff versucht: Nachdem Roland Emmerichs Film von 1998 – der erste jemals außerhalb Japans produzierte Godzilla-Film – zwar kommerziell erfolgreich war, bei den Fans der Reihe allerdings auf große Ablehnung stieß, wollten sich diesmal Regisseur Gareth Edwards und die Produktionsfirma Legendary Pictures bewusst mehr am japanischen Original orientieren.
Auch wenn ein Großteil der Handlung diesmal nicht in Japan, sondern an der Pazifikküste der USA angesiedelt ist, finden sich tatsächlich einige Parallelen zu den früheren Godzilla-Filmen. So erfahren wir etwa, dass das urzeitliche Monster ein stattliches Sümmchen an Jahren in den Tiefen des Ozeans verbracht hatte, bevor es Mitte des 20. Jahrhunderts durch Atomwaffentests in der Tiefsee aufgeschreckt wurde. Während aber der erste Film von 1954 vor allem als Allegorie auf das japanische Atombomben-Trauma gedeutet werden kann, hat Godzilla in 2014 aktuellere Bezüge: Edwards eröffnet mit einem GAU in einem japanischen Atomkraftwerk, ausgelöst durch ein Erdbeben (tatsächlich ein „Erdbeben“?); die Bilder der Atomruine erinnern nicht zufällig an das Unglück in Fukushima. Nachdem Emmerichs Film 1998 noch Tschernobyl-Bezüge enthielt, hat unsere Generation nun ihren eigenen Archetyp nuklearen Unglücks.
Ein Kaijū kommt selten allein
Unterschwellig ist die aktuelle (politische?) Botschaft dabei keineswegs: Dass Atomkraft gefährlich und unkontrollierbar ist, wird höchstens bei einem deutschen Grünen-Parteitag noch eindeutiger ausbuchstabiert als in Edwards’ Godzilla – etwas moralinsauer ist das schon, überträgt aber immerhin das ‚historische’ Godzilla-Hiroshima-Narrativ sinnvoll in die heutige Zeit.
Die Riesen-Echse stellt diesmal aber – ohne zuviel verraten zu wollen – nicht das einzige monströse ‚Problem’ dar; auch in dieser Hinsicht ist der neue Film näher am japanischen Klassiker als Emmerich es 1998 war, kamen doch bereits in Godzilla kehrt zurück (1955) das erste Mal andere Kaijū vor. Dass deren Auftauchen mit menschlichen ‚Fehleinschätzungen’ zusammenhängt, ist ein weiteres Element früherer Filme, dass Edwards’ Godzilla aufgreift – und auch dabei ist die Kritik an Fortschrittsgläubigkeit und Militarismus alles andere als subtil.
Weniger offensichtlich – um nicht zu sagen: völlig ungeklärt – bleiben einige Zusammenhänge der Hintergrundgeschichte; die Logiklöcher sprießen, was bei Popcorn-Kino ja keineswegs ungewöhnlich ist. Wirklich realisiert man das ohnehin erst nach Verlassen des Kinosaals, denn bis dahin ist man die meiste Zeit damit beschäftigt, akustisch und visuell in den Sitz gepresst zu werden: Die CGI-Optik wirkt auf der großen Leinwand schier beeindruckend (auch wenn die 3D-Effekte nur selten wirklichen Mehrwert bieten); der stimmungsvoll-düstere Soundtrack tut sein übriges. Und wenn der Kinosessel anfängt zu vibrieren ahnt der Zuschauer, dass hier etwas Großes auf ihn zukommt.
Nur leider hat dieser Godzilla das Problem, dass nicht nur die meisten der optischen Leckerbissen bereits in den Trailern vorweggenommen wurden, sondern viele Zuschauer sich stark an das erst letztes Jahr erschienene CGI-Schwergewicht Pacific Rim erinnert fühlen werden. Die spektakuläre Optik des pazifischen Ozeans, der zerstörten Städte und nicht zuletzt das Aussehen der Monster kommen so weniger innovativ daher, als die Godzilla-Macher es sich wohl erhofft hatten.
Die Darsteller-Riege bleibt trotz namhafter Besetzung größtenteils farblos – vor allem, weil der Film sich kaum wirklich so auf eine der Figuren fokussiert, dass man ihr Schicksal interessierter verfolgt als das der Riesen-Echse. Am ehesten heraus sticht Breaking Bad-Star Bryan Cranston, der den seelisch gebrochenen Atomforscher Joe glaubwürdig und mit viel Leidenschaft verkörpert.
Nach 123 Minuten bleibt von Godzilla eine unterhaltsame Zeit Popcorn-Kino mit wuchtiger Action und offenkundigen Schwächen im Drehbuch. Zum 60. Geburtstag hätte es schon ein bisschen mehr sein dürfen.
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