Bei den Thüringer Landesmeisterschaften im Poetry Slam bündelten sich die Möglichkeiten des Genres selten in einem Text, sondern verteilten sich auf mehrere Slammer. Der authentischste unter ihnen wird nun Thüringen in den deutschsprachigen Meisterschaften im Herbst vertreten.
von Caro
Am Sonntag, den 29. Juli 2012, präsentierten die Kulturarena und der livelyrix e.V. im Kassablanca den ersten Slam Thüringen, die Poetry Slam Landesmeisterschaft Thüringen. Ihr Sieger wird das grüne Herz Deutschlands poetisch bei den deutschsprachigen Meisterschaften in Heidelberg im Herbst vertreten.
Gleich zwei Finale wurden an diesem Abend abgehalten: Zunächst der U-20-Ausscheid, der erstaunlicherweise eine Qualität vorgab, die der Rest des Abends kaum halten konnte. Nach mehreren schwer deutbaren Applaus-Wertungen ging Frances Luhn als beste Nachwuchs-Slammerin aus ihm hervor, mit einem schlichten, aber wortgewandten Text über Hass. Sie und der knappe Zweite Martin Ahmad fanden sich auch im Hauptwettbewerb wieder und beide schafften es denn auch ins große Finale, in dem sich die drei Sieger der Vorrunden um die Teilnahme an den deutschen Meisterschaften texteten.
Insgesamt gingen neun Slammer in den Vorrunden an den Start. Der Erfurter Simon, der seinen Nachnamen zum Geheimnis macht, und Tony Grünheid aus Jena feierten eine misanthropische Weltsicht und die eigene Überlegenheit auf der Bühne – leider mit wenig sprachlicher Rafinesse, sodass ihre Charaktere zu Plattitüden wurden. Daneben gab es viele Beiträge, die, zwar gekonnt, zumeist einen Aspekt eines guten Slam-Textes isolierten: Da traf der exzellente, rhythmische Vortrag auf inhaltliches Vakuum oder eine gute Idee auf rhetorische Banalität. Aida aus Weimar schließlich hieß das Publikum zu Beginn auf seinem Niveau willkommen und vollführte dann eine in sich stimmige Reflexion über die außer-sprachlichen Möglichkeiten des Slams, mit der er sich gerechterweise in die Finalrunde zu Frances und Martin gesellte.
Die beiden Jüngeren schienen vor allem in der Vorrunde am meisten Wert zu legen auf die Kunst, die Slam bedeuten kann. Während Frances´ Vortrag durch eine stimmliche und rednerische Formalisierung hervortrat, widersprach Martin Ahmads zweiter Text ohne Worte, der mit Sprache spielte, intertextuelle Bezüge aufwies und dabei noch inhaltlich aussagekräftig auf eine scheinbar positionslose Generation-I-Phone referierte, in seiner Wortgewandtheit dem eigenen Titel.
Im Finale gewann dann aber der erfahrenere Aida, mit einem Text, welcher das persönliche Anliegen deutlich über die sprachlich-bildliche Ebene stellte. Mit der authentischen Reminiszenz seines an Krebs verstorbenen Vaters entschied er diese letzte Runde zurecht für sich, da er ein Gefühl transportierte, das die Sprachspiele Martin Ahmads und die Weltschmerz-Tirade Frances Luhns am Ende nicht erreichten.
Sehr positiv lässt sich bemerken, dass es sich beim Slam Thüringen nicht wie so oft um eine verhüllte Comedy-Veranstaltung handelte, bei der die lautesten Lacher sich automatisch in das lauteste Klatschen übersetzen, das über den Sieger bestimmt. Und doch stellt sich die Frage, inwiefern der Slam als literarische Spielart im Kontext der zeitgenössischen Multimedialität – als Gesamtkunstwerk aus Performance, Sprache und Inhalt – seinem Anspruch an diesem Abend gerecht wurde. Die Beiträge der Slammer und die großartige Moderation von Christian Meyer und Bleu Broode machten ihn trotz seiner Länge von drei Stunden zu einer gelungenen Unterhaltung. Sollte und kann man von einem Poetry-Slam nach mehreren Jahren des Hypes noch mehr erwarten?
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