von bergi
Seit 30 Jahren wartet eine eigentlich recht simple und umsetzbare gesellschaftliche Utopie auf ihre Chance: das bolo’bolo-Projekt des Aktivisten und Autors “P.M.“. Dabei könnte alles so einfach sein …
In was für einer Welt wollen wir leben? Weniger Kriege um Rohstoffe, Macht und Geld? Sicher! Weniger Hunger, dafür mehr Forschung und Internet? Da wird es schon schwieriger, alle unter einen Hut zu bringen. Weniger Staatsgrenzen und Bürokratie, und mehr Selbstbestimmung für den Einzelnen? Jetzt wird es schon fast utopisch!
Und in der Tat stehen diese Wünsche in harter Konkurrenz zur Politik, die von den selbsternannten G8-Staaten und ihren Protagonisten vertreten wird – mal ganz abgesehen von den unzähligen Diktatoren und Warlords in anderen Teilen der Erde. Alle, die in den jetzigen Verhältnissen keine lebenswerte Zu-kunft sehen, die auch nichts mit einem durchstrukturierten Öko-Nationalstaat anfangen können und generell großen und zentralisierten Machtstrukturen eher ablehnend gegenüberstehen, finden bei dem anonymen Schweizer Autor und Aktivisten P.M. vielleicht neue Ansätze eines realisierbaren und nachhaltigen Miteinanders.
Die Idee: bolo’bolo
Ein bolo ist ein Großhaushalt von maximal 500 Personen, die sich Waschmaschine, Küche und die sonst noch nötige Infrastruktur teilen, was alleine schon dazu führt, dass enorme Mengen an Energie eingespart werden können. Der wichtigste Aspekt ist allerdings, dass es keine festen Hierarchien gibt, denen man sich unterordnet, sondern jeder die Aufgaben und Tätigkeiten, die ihm/ihr am besten liegen, übernimmt. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen und der Haushalt und das Miteinander werden wieder zentrale Aspekte. Natürlich sollte jeder Großhaushalt über eigene Anbauflächen verfügen, um autark für dieErnährung zu sorgen.
Dass das möglich ist, zeigen zahlreiche Projekte in der ganzen Welt. Nach den recht umfangreichen Berechnungen P.M.’s und seiner Kollegen sinkt die nötige Arbeitszeit in solch einer Konstellation auf etwa drei Stunden pro Tag und Person.
Das meiste entfällt selbstverständlich auf Essenszubereitung und Putzen. Heute so wichtige Sektoren wie Versicherung, Bankenwesen und Großindustrie schrumpfen dagegen zu vernachlässigbaren Faktoren zusammen. P.M. ist bei Weitem nicht der Einzige, der darauf hinweist, dass ein Großteil des Geldes – und damit auch der Arbeit in unserem heutigen System – einfach versackt (Vergleiche: Ein Monteur verdient zehn Euro pro Stunde, kostet aber 40.). Es geht bei den bolos allerdings nicht darum, sich zu primitiven Stammeskulturen zurückzuentwickeln. Auch dort werden Forschung und Technik sehr nützlich sein. Und sie haben – im Gegensatz zur jetzigen Gesellschaftsform – tatsächlich das Potential, uns die Arbeit in großem Maßstab zu erleichtern.
Wie und wer?
Die Frage nach der Umsetzung ist kei-ne leichte. Tatsächlich wurde P.M. von seinem Zeitplan längst eingeholt, ohne dass wir nun alle in bolos leben würden. Seine Ideen erschienen erstmals Anfang der 1980er-Jahre im Paranoia City Verlag unter dem Titel „bolo’bolo“, später dann z.B. in „Amberland“ oder in „Weltgeist Superstar“. Letzterer nimmt in Romanform schon einmal die Utopie und die aufkommenden Schwierigkeiten vorweg. Dennoch ist der erste Schritt recht einfach. Schafft Netzwerke! Versucht, einen Bogen um Aldi und tegut… zu machen, legt einen Garten an, oder helft anderen dabei! Schließt euch zusammen und zweifelt an der – wie P.M. es nennt – „Planetaren Arbeits-Maschine“! Klingt immer noch utopisch? In Zürich gab es tatsächlich schon ein bolo-Projekt in P.M.’s Sinne, das dann allerdings im Jahre 1990 einer „Geschäftsüberbauung“ zum Opfer fiel und heute eher als Genossenschaftsprojekt an anderer Stelle weitergeführt wird (http://karthago.ch).
Während die Militarisierung unserer Staaten wieder enorme Ausmaße annimmt, ist es, wie ich finde, höchste Zeit, sich konkret mit friedlichen Alternativen auseinanderzusetzen.
Zum Weiterlesen:
http://www.baraka.de/bolo-bolo/idee.html
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