Sechs Pesos

(Foto: Stefan Munder)
(Foto: Stefan Munder)

Trötende Hupen, grölende Fahrer, lärmende Motoren und ein Lächeln, das ich nicht vergessen werde – eine deutsch-philippinische Begegnung.

von bexdeich

Philippinen, Bacolod City, im dichten Stadtverkehr. Als ich in den Jeepney steige, sitzt dort eine Frau aus einer der Communities. Sie lächelt und wir begrüßen uns. Später steigen wir zusammen aus, da wir in etwa den gleichen Weg haben und gehen zum Tricycle-Stand. Sie ist schwer bepackt mit Tüten voller Gemüse, die sie auf dem Libertad Market gekauft hat, um sie in der Community weiter zu verkaufen. So verdient sie sich ein paar Pesos dazu. Während wir auf andere Mitfahrer warten, erzählt sie mir ein wenig von ihrem Leben. Sie entschuldigt sich, dass ihr Englisch nicht so gut sei. Sie habe nur die Highschool beenden können. Obwohl die Unterrichtssprache Englisch ist, sei die meiste Zeit in Illongo unterrichtet worden und so sei es noch heute. So habe sie sich selbst „stone by stone, batokagbato“ Englisch beigebracht und  könne sich nur einfach ausdrücken.

Sie berichtet, dass ihr Mann als Fahrer für wohlhabende Familien arbeite und deren Kinder zur Schule bringe und sie wieder abhole. Allerdings ist der Lohn sehr niedrig, weshalb sie durch den Verkauf des Gemüses etwas dazu verdient. Bei ihnen zählt jeder Centavo. Sie hat eine zehnjährige Tochter, die auf eine  der staatlichen Grundschulen geht. Es ist schwer, das Geld für die Jeepney-Fahrten  zur und von der Schule aufzubringen und die Schuluniform und -materialien zu finanzieren. Sie ist bereits in diesem Stadtteil aufgewachsen und erzählt, dass sich seitdem viel verändert habe. Bis vor ein paar Jahren gab es noch nicht all die riesigen Neubauten. Mango- und andere Obstbäume waren noch reichlich vorhanden. Die gibt es heute nicht mehr und das (Über-)Leben ist schwerer geworden. Mittlerweile sind wir losgefahren und ich erzähle von meiner Familie in Deutschland. Als das Tricycle bei ihrer Siedlung hält und sie aussteigt, gibt sie dem Fahrer 12 Pesos. Lächelnd und winkend ruft sie: „Rebecca, I paid for you. Take care.“ Ich wollte doch für sie zahlen, das Geld lag bereits in meiner Hand. „Oh no, you don’t have to do that. Salamatgid – vielen Dank. Next time it is my turn“, kann ich nur noch stammeln. Sie nickt, lächelt, dreht sich um und geht schwerbeladen den Schotterweg zur Siedlung entlang. Mir ist zum Heulen zumute. Fünf Minuten vorher erzählt sie mir, dass jeder Centavo zähle. Ich ärgere mich, dass ich ihren Namen immer noch nicht weiß und nicht schneller reagiert habe. Die Menschen dort wohnen in einfachsten, spärlich möblierten Betonhäuschen. Wäsche gewaschen und geduscht wird an der Wasserpumpe. Ich bin beeindruckt, mit welch einem Lächeln und welch einem Optimismus diese Frau ihr Leben meistert. Während einiger Aktivitäten in der Community habe ich sie als eine sehr fröhliche Frau kennengelernt – sie tanzt bei jeder Gelegenheit, scherzt gerne und ihr herzhaftes Lachen ist ansteckend. Den ganzen Tag gehen mir das Leben der Frau und die sechs Pesos nicht aus dem Kopf.

Es sind nur sechs Pesos. Sechs Pesos – eine Schale Reis mehr oder weniger.

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