Kommentar: Wer zuletzt lacht

(Foto: World Economic Forum/ Sebastian Derungs)
(Foto: World Economic Forum/ Sebastian Derungs)

Die überparteiliche Einigung bei der Suche nach einem neuen Staatsoberhaupt ist erfreulich für Deutschland – und gut für Angela Merkel.

von Frank

Sigmar Gabriel gibt sich sichtlich Mühe, an diesem Sonntagabend im Kanzleramt. Der SPD-Chef wird in der gemeinsamen Pressekonferenz mit den Parteivorsitzenden der Regierungsparteien und der Grünen nicht müde zu betonen, dass man ja bereits vor zwei Jahren Joachim Gauck für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen hatte. Gabriel zeigt sich, wie auch seine grünen Kollegen Roth und Özdemir, in später Genugtuung, da diesmal auch Union und FDP die Kandidatur des DDR-Bürgerrechtlers unterstützen.

Die Opposition sagt damit in etwa „Wir haben’s euch doch gleich gesagt“ in Richtung der Regierungsparteien, besonders an die Adresse der Kanzlerin. Und am liebsten möchte Gabriel, möchten auch Claudia Roth und Cem Özdemir nun etwas ab bekommen von dem präsidialen Glanz Joachim Gaucks, den sich laut einer Umfrage 54 Prozent der Befragten als ihr Staatsoberhaupt wünschen. Doch schon in der Pressekonferenz wird deutlich, dass auch die anderen längst darauf erpicht sind, sich mit der Gauck-Aura zu kontaminieren so gut sie können. Gerade die FDP, deren baldiges und baldigstes Ende die deutsche Presse nun schon seit Monaten um die Wette vorhersagt, war hier aus strategisch nachvollziehbaren Gründen vorgeprescht – einstimmig hatte der Parteivorstand der Freien Demokraten am Sonntag beschlossen, man wolle Gaucks Kandidatur unterstützen. Dessen Betonung des Begriffes „Freiheit“ bot ihnen dabei eine nicht unwillkommene Andock-Station.

Als die parteipolitische „Ampel“ nun also am Sonntag vereint hinter einem Bundespräsidenten Gauck stand, lag der Ball im Feld der Christdemokraten – und der Kanzlerin. Und die zeigte einmal mehr, dass sie immer für eine Überraschung gut ist. Noch am Freitag hatten Beobachter gemutmaßt, die Kanzlerin könne eine erneute Kandidatur des DDR-Pfarrers nur schwerlich unterstützen – zu berechtigt würde dann das Gabrielsche „Wir haben’s euch doch gleich gesagt“ erscheinen, ein spätes Eingeständnis in die eigene Fehlentscheidung.

Doch nun sitzt Angela Merkel lächelnd neben Joachim Gauck, rezitiert seine Vita, lobt seine Eignung. Vergessen der „Wahlkampf“ um Bellevue des Jahres 2010. Der Opposition bleibt freilich nichts anderes übrig, als brav den überparteilichen Konsens zu begrüßen – außer, wie bereits erwähnt, ein bisschen zu sticheln. Doch das wird ihnen, das ahnt wohl auch der selbstbewusste SPD-Chef schon jetzt, kaum etwas bringen. Gauck ist kein rot-grüner Kandidat mehr, er „gehört“ jetzt allen (oder keiner) der hier anwesenden Parteien. Und vielleicht gehört er der gut gelaunten Kanzlerin sogar ein bisschen mehr als allen anderen, schließlich kann sie – bei allen Unterschieden zwischen den Biographien der beiden – als einzige auf die gemeinsame Erfahrung der DDR und des Umbruchs verweisen.

Es zeigt sich an diesem Abend wieder: Merkel weiß aus der Not eine Tugend zu machen. Nicht als Gedrängte da zu stehen (die sie zweifelsohne war nach Wulffs Rücktritt und noch mehr nach dem Vorpreschen der Liberalen), sondern als quasi-präsidentielle Lenkerin, abseits des aufgeregten Parteienhickhacks. Man muss das nicht gut finden, aber es ist ihre Parade-Rolle. Wenn Ronald Reagan der „Teflon-Präsident“ war, dann ist sie so etwas ähnliches, nur dass sie scheinbar selbst entscheidet, was an ihr haftet und was abperlt. Jüngstes Beispiel: Die Wulff-Affäre konnte ihrer Zustimmungsrate in der Bevölkerung nichts anhaben.

Jetzt vermeidet Merkel nicht nur koalitionsinternen Streit mit der FDP und beendet die Kandidatensuche, noch bevor diese von den Montagsausgaben der Tageszeitungen in eine für sie oder ihre Union unerwünschte Richtung gelenkt werden konnte. Sie nimmt Sozialdemokraten und Grünen auch deren Trumpf aus der Hand. Sie wird sicher in den kommenden Wochen bis zur Bundesversammlung versuchen, von dieser Aktion zu profitieren – auch wenn nicht zu erwarten ist, dass Gauck sich als „Präsident von Merkels Gnaden“ verstehen und vor einen schwarz-gelben Karren spannen lassen wird.

Aber unabhängig davon: Gegen den Instinkt dieser Kanzlerin scheint kein Kraut gewachsen zu sein. Merkel hat die Wulff-Krise gemeistert, bevor sie ihr etwas anhaben konnte. Zwei Jahre vor der Bundestagswahl scheint es, trotz Euro-Krise und FDP-Misere, einfach nichts zu geben, was diese Frau aus dem Kanzleramt vertreiben könnte. Gewiss, bis dahin kann noch vieles passieren. Aber auch Sigmar Gabriel schwant vielleicht an diesem Abend, dass so 2013 ein SPD-Kanzler kaum möglich sein wird. Bei aller ehrlichen und verdienten Freude über Gauck – und über die späte Genugtuung.

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