von Norman Fleischer
Als VIVA, der erste deutsche Musiksender, vor fast genau fünfzehn Jahren auf Sendung ging, durchwehte ein Hauch von Revolution die Büroräume in Köln. Eine freche, junge, eigenständige Alternative gegen den übermächtigen US-Koloss MTV wollte man sein. Etwas eigensinniger, etwas durchgedrehter und vor allem authentischer für die deutsche Jugend. Ein bisschen anarchisch ging es anfangs zu. Stefan Raab blödelte sich noch relativ unkonventionell durch Kölns Straßen, auch der Rest der Moderatoren lernte seinen Job scheinbar erst während dessen Ausübung. Geschmacklich wurden alle bedient. Wer Eurodisco hören wollte, schaltete zu Daisy Dees trashiger „Club Rotation“, wem US-Collegerock mundete, der war mit Herrn Kavka und Frau Roche (damals noch sekretfrei) und dem hauseigenen Kanal „Viva Zwei“ bestens bedient. Egal wie seltsam sich das heute anhört: über mangelnde Vielfalt konnte man sich in den Neunzigern nie beschweren.
Und was bleibt heute noch von der „Revolution“ übrig? VIVA wurde längst von MTV und dessen Mutterkonzern „Viacom“ gekauft. Konkurrenzlos. VIVA fungiert als Resterampe des ehemaligen Kolosses und wurde in die Ecke des deutschen Konsens-Pop gedrängt. Kreativität als Makel. Solange das läuft, was schon jeder kennt, muss man sich keine Sorgen machen. Heike Makatsch, eine der Gründerzeit-Moderatorinnen, versprach ganz am Anfang mal: „Wir wollen euer Sprachrohr sein.“ Doch wessen Sprachrohr ist ein Sender voll abgestandener US-Produktionen und Klingeltöne denn schon noch? Der einer Jugend, der alles egal ist? Einer Jugend, die lieber konform konsumiert? Nicht unbedingt. Nicht nur das „Wer“, sondern auch das „Wir“ des Konsumierens hat sich verändert. VIVA und MTV haben sich selbst überlebt, ohne zu merken, dass sie längst verwesen.
Die neue Generation klebt auf der Suche nach Trends nicht mehr am Fernsehbildschirm. MySpace bietet beispielsweise deutlich mehr Musik, Videos, Vielfalt und Individualität als MTV und VIVA sie jemals bieten konnten und könnten. Die alten Giganten stehen ratlos da, zucken mit den Schultern und wissen nicht, wie sie der Zukunft entgegen treten sollen. Der Teufelskreis aus sinkendem Interesse, Einsparungen, eingestampfter Kreativität und Risikobereitschaft ist nicht mehr zu durchbrechen. Das Musikfernsehen als solches ist tot und so wirkt das grelle, bunte Programm im Moment nur wie ein verglühender Stern, der vor seinem Tod noch einmal kurz aufglüht – um dann für immer im Nichts zu verschwinden. „Video killed the radio star“ back in 1981. But in 2008: The video star killed himself!
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