Hätte dieser Roman denn nicht überall spielen können? Könnten die vier Freunde, alle um die 30, nicht auch in einer anderen Stadt als Tel Aviv vor dem Fernseher sitzen? Es ist das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 1998.
von Daniel Jendrissek
Die Freunde Ofir, Churchill, Juval und Amichai schließen einen Pakt: jeder notiert drei Wünsche, die bis zur nächsten WM in Erfüllung gehen sollen. Dann will man sehen, was daraus geworden ist. Die Geschichte dieser vier Jahre ist durchaus gut geschrieben, spannend, unterhaltsam und dreht sich, so scheint es, um Freundschaft, Fußball und Frauen.
Doch etwas stimmt nicht. Immer wieder, meist beiläufig, schleicht sich etwas merkwürdig Bedrückendes in die sonst so humorvolle Fiktion. Da ist der ehemalige Werbetexter Ofir, der ausspricht, was viele seiner Freunde denken: die israelische Gesellschaft sei aggressiv, angefangen bei der Okkupation bis hin zu Kleinigkeiten, z.B. „wie wir Auto fahren.“ Da ist die Stimme Juvals, der schildert, wie seine Militär-Einheit eine palästinensische Familie in Nablus misshandelt hat, um in ihrem Wohnzimmer das Viertelfinale der WM 1990 zu sehen. Da sind die Anschläge während der zweiten Intifada, die immer näher kommen und die Fensterscheiben der Wohnung erzittern lassen, während drinnen der Erzähler die Geschichte der vier Freunde niederschreibt.
Spätestens wenn es heißt: „Unser Staat ist krank“ und „Jeder logisch denkende Mensch sollte sich schon jetzt eine Rettungsinsel im Ausland“ suchen, bemerkt man, dass es hier eben nicht nur um Fußball und Freundschaft geht. Eshkol Nevos Roman ringt um erzählerische Normalität, doch erreicht sie nie ganz, eben weil die Geschichte nicht irgendwo, sondern in Israel spielt..
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Eshkol Nevo:
Wir haben noch das ganze Leben.
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke.
Deutscher Taschenbuch Verlag 2010,
440 Seiten, 14,90 €
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