Drei meist graue Wände, ein Flachdach und ein Tor. Auf den ersten Blick gibt es fast nichts Unspannenderes. Gut, manchmal ist das Tor aus Holz, manchmal aus Metall, manchmal blättern fünf Farbschichten gleichzeitig ab und manchmal offenbart es die schönste, unbehandelte Holzmaserung. Der kalte Betonboden ist entweder befleckt oder von Teppich bedeckt. Aber alles in allem ist der Ort Garage wohl keiner, über den sich übermäßig viel Gedanken gemacht wird – zu Unrecht.
von Julia Florschütz
Garagen sind ein gemeinschaftsstiftender Ort, weil jede:r eine Verbindung zu ihnen hat. Ich erinnere mich zum Bespiel, dass ich als Kind bei Regen in der Garage geschaukelt habe. Sie war wie eine kleine, schützende, trockene Box mit Panoramablick ins nasse Draußen. Viele, vor allem Männer ab Mitte 60 in Ostdeutschland, verbinden mit ihrer Garage Schweiß und tiefe Gefühle. Sie haben meist aktiv an der Erbauung mitgewirkt. Endlose Torreihen von Garagenbatterien, welche in Vereinen verwaltet werden, sind Ergebnis eines Garagenmangels aus DDR-Zeiten. In Eigenleistung mussten die Bedarfsanmeldenden mauern oder Betonteile aufeinandersetzen. Dabei fragte keine:r so genau, wem das Land gehörte, auf dem gewerkelt wurde. Dies gipfelt seit ein paar Jahren in ausgedehnten Rechtsstreitigkeiten überall in den neuen Bundesländern. Das sogenannte Schuldrechtsanpassungsgesetz sollte die alte Substanz erst einmal erhalten. Seit 2015 melden Städte und Kommunen andere Nutzungsarten für ihre Grundstücke an und die Garagenbesitzer:innen müssen ihre eigenen drei Wände räumen. Grund dafür ist, dass die Eigentumsverhältnisse in der DDR anders organisiert waren als heute. Die Garage gehört den Nutzer:innen tatsächlich. Mittlerweile ist das aber unerheblich, wenn auf fremden Grund und Boden gebaut wurde.In Jena wird so ein Streit aktuell ausgefochten. Die Stadt möchte
Fördergelder in Höhe von 753.300 € für das Errichten von sogenannten Klimaoasen einstreichen und hat vermutlich noch andere Gründe, die Gargenvereine verdrängen zu wollen. Ein akut betroffener wehrt sich mit allen Mitteln, seien es Banner an ihren Toren, eine Petition oder rechtliche Schritte. Die Aussicht auf Gewinn scheint mit Blick auf ähnliche Fälle jedoch unrealistisch. Leider geht mit Räumung und Abriss mehr verloren als veraltete Fabrikate. Freundschaftliche Hilfe und der Austausch von Wissen sind verbreitete Umgangsformen auf Garagenhöfen. Einige Vereinigungen feiern Garagenfeste mit Verpflegung und Unterhaltungsprogramm. Viele Ältere beschweren sich im Gegensatz aber über fehlendes Engagement von jüngeren Pächter:innen. Diese haushalten vermutlich anders mit ihrer Zeit. Eine Bestätigung der Nichtbetätigung ist allgemein gesehen aber schwer, zumal ein größerer Teil der Besitzer:innen älteren Jahrgangs sind. Junge Schrauber sprechen dagegen. (Traditionell und nach den Klischeevorstellungen ist eine Simson immer noch oft das Objekt der Begierde.) In Partygaragen gesellen sich sowieso nur in etwa Gleichaltrige zusammen. Diese scheint es in jeglicher Altersklasse zu geben.
Hier bahnt sich jedoch das nächste rechtliche Problem an. Garagen auf kommunalem Grund müssen nach Rechtsprechung ein motorisiertes Gefährt beherbergen. Garagen nur für Gelage, Garagenbands oder Geschraube sind untersagt. Trotzdem finden sich kreative Köpfe, die es bewerkstelligen in ihnen Bandproben oder Nähkurse durchzuführen. Auch das ein oder andere Unternehmen wurde in Garagen gegründet oder operiert in ihnen. Für Veranstaltungen außer der Reihe dürfen sie jedoch verwendet werden. Garagenflohmärkte sind zwar kein deutschlandweit breit gestreutes Phänomen, mit Hinblick auf ihren praktischen Nutzen sollten sie dies aber definitiv sein. Immerhin lagern viele Gegenstände in ihren Garagen, die sie „irgendwann nochmal gebrauchen“ können – oder die Kinder, Enkel oder die Großtante dritten Grades. So manche Projekte und Hobbys schlummern noch dort in Kisten, welche sicherlich irgendwann mal verwirklicht werden, wenn doch eines Tages nur endlich genug Zeit dafür übrigbleibt. Ob Schrott oder Schatz, ist wohl subjektiv zu bewerten – der Schutz des Eigentums weniger.
Besitzer:innen fürchten zurecht Einbrüche und Diebstähle an den oft abgelegenen Orten, die immer wieder passieren. Aber auch in den Garagen ist Kriminalität nicht ausgeschlossen. Es finden sich Drogen oder Hehlerware. Bei den Stichworten Jena und Garagen ist der NSU eine legitime Assoziation, die nicht mit Stillschweigen behandelt werden darf. Im Januar 1998 durchsuchte die Polizei drei Garagen in einem Hofkomplex in Jena. Zwei von diesen gehörten Uwe Böhnhardt, die andere mietete Beate Zschäpe. Es wurden vier Rohrbomben und Utensilien zum Bau weiterer gefunden, darunter 1,4 kg TNT, außerdem rechte Fanzines, eine Diskette mit ausländerfeindlichen Aussagen, Zigarettenreste mit der DNA von Zschäpe und Kontaktdaten zu Neonazis (Wikipedia nennt sie die „Garagenliste“). Es bleibt das beunruhigende Gefühl, dass auch Rechtsextreme Geschichten mit Garagen teilen. Gedenkorte zu schaffen und Aufarbeitung zu vollziehen, bleiben aktive Baustellen der Stadt, die wiederkehren, sobald Orte wie diese ausgelöscht bzw. frei zugänglich werden. Fraglich bleibt, ob und inwiefern sich der betroffene Garagenhof mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt. Die Gefahr, dass Erinnerungsorte von den Falschen genutzt werden, bleibt bestehen. Nicht zu vergessen ist dabei, dass Garagen in Verbindung mit dem Fall des NSU auch ein Symbol für unzureichende Polizeiarbeit sind, an die simultan immer miterinnert wird. Auch hier bestehen Fragezeichen und weiterer Aufarbeitungsbedarf.
Strenges Regelwerk von Garagenvereinssatzungen versus privater, abgeschlossener Raum in der Einöde – beides geht Hand in Hand und scheint sich doch zu widersprechen. Garagen konstruieren Freiräume und sind gleichzeitig reglementiert. Sie können die Funktion wie die eines Kellers als Lagermöglichkeit erfüllen. Gleichzeitig verbinden sie sich mit dem Versuch, Ort der Freizeitgestaltung zu sein, trotz strenger Regeln. Darin hat die Garage einige Gemeinsamkeiten mit Schrebergärten, welche auch vereinsorganisiert sind. Eine Garage ist ein Zwischenort – nicht öffentlich, weil gern verschlossen und mit privaten Gütern angefüllt, aber nicht ganz privat, weil einsehbar, wenn sie geöffnet ist, außerdem manchmal ein gutes Stück vom Zuhause entfernt. Eine Garage ist oft nicht eingerichtet oder zum Herzeigen gedacht und trotzdem ist es den Besitzer:innen unangenehm, wenn sie nicht aufgeräumt haben. Die Garage ist nicht Wohnraum, nicht Durchgang, nicht Lager, nicht Freizeitzimmer und nicht Zeitkapsel – sie ist alles in einem.
Nüchtern betrachtet sind Garagen aber leider weniger divers als es klingen mag. Tatsächlich passieren meist ähnliche Dinge in oder vor ihnen: schrauben, werkeln, putzen, aufräumen, zusammensitzen oder stehen, Bier oder andere Getränke trinken. Die Garage ist und bleibt nach wie vor ein in Mehrheit männlich besetzter Raum. Einige Männer garantierten mir im Gespräch, dass ihre Frauen froh seien, wenn sie in der Garage zu tun hätten und ihre Partnerinnen in Ruhe ließen. Die Frau bleibt im Haus. Der Mann geht raus und macht „etwas mit den Händen“. So wie gesamtgesellschaftlich ist auch in dieser Ausformung von Geschlechterrollen kein schneller Wandel zu erwarten. Es gibt Frauen, die genauso wie Männer mehrmals die Woche auf Garagenhöfen einkehren, aber sie bleiben – zumindest bis jetzt – eine kleine Minderheit. Zugegebenermaßen sind sie auch einfach im Nachteil, immerhin gibt es auf Garagenhöfen keine Sanitäranlagen.
Noch eingängiger und anschaulicher gelingt es der Ausstellung „Garagen | Geschichten“ über diese zu informieren. Vom 06.09.2024 bis 16.03.2025 ist sie im Volkskunde Museum in Erfurt (Juri-Gagarin-Ring 140a, 99084 Erfurt) zu sehen. Es steht fest, dass Garagen vielseitiger sind als drei Wände, ein Dach, ein Tor, ein Auto. Ein Blick dahinter lohnt sich.