Die Kosmisten waren davon überzeugt, dass die evolutionäre Entwicklung des Menschen noch nicht abgeschlossen sei und sahen die Weiterentwicklung der Menschheit deshalb als ihre Hauptaufgabe an – und dies beinhaltete Unsterblichkeit und Wiederauferstehung. Eine Kunstform, die die Überwindung des Todes thematisierte und dabei ihrem Urpsrungsland, der Sovjetunion, als nicht linientreue Bedrohung galt. Das Bild zeigt ein Geräte, das ursprünglich auf sowjetischen Raumschiffen installiert werden sollte, um die Gesundheit der Kosmonauten zu sichern. Stattdessen wurden sie in den Büros von Regierungspolitikern installiert, um diese vor dem Senil-werden zu bewahren.
von Mici
Der zentrale Grundsatz des Kosmismus, einer intellektuellen und künstlerischen Bewegung, die im 19. Jahrhundert in Russland entstand, verlangte sowohl die Kontrolle über alle zerstörerischen Kräfte der Natur – somit auch über den Tod – als auch die materielle Wiederauferstehung der Toten. Der Kosmismus ging sogar so weit, dass von der Besiedlung anderer Planeten als eine selbstverständliche und unvermeidliche Folge aufgrund des nach der Wiederauferstehung aller Toten (beginnend mit Adam und Eva) vorherrschenden Platzmangels auf der Erde gesprochen wurde. Somit waren Reisen ins Weltall für die Verfolgung der kosmistischen Ziele unerlässlich.
Hilfsmittel für das Erreichen der Unsterblichkeit sahen die Kosmisten in der Wissenschaft, der Technologie und der Kunst. Letztere spielte eine besondere Rolle, da die Kunst selbst bereits Potenzial zur Unsterblichkeit besitzt. Die Arbeit für die Auferstehung mithilfe dieser „Bereiche“ galt als eine Möglichkeit, mit Gott zusammenzuarbeiten. Dabei waren die Kosmisten eigentlich radikale Atheisten, die eine Loslösung von der Kirche forderten. Andererseits verfolgten sie mit der Auferstehung und der Apotheose, aber sehr christliche Vorstellungen. Hier zeigt sich nur einer der zahlreichen Widersprüche des Kosmismus, die sich in nahezu allen seinen Thesen finden: Sie verbanden vollkommen gegensätzliche Philosophien, wie das russisch-orthodoxe Christentum mit dem Marxismus. Parallelen zu letzterem zeigen sich beispielsweise darin, dass Kosmisten die Arbeit als ein Instrument zur Weiterentwicklung der Menschheit sahen oder darin, dass für sie alle Menschen einer Gesellschaft gleich waren, unabhängig von ihrer Klasse. „Echte soziale Gleichheit heißt Unsterblichkeit für alle“, woraus sich – irgendwie als logische Konsequenz, um die gesamte wiedererweckte und unsterbliche Bevölkerung unterzubringen – wieder die Umsiedlung auf andere Planeten und Sterne ableiten lässt.
Doch trotz der vielen Parallelen zum Marxismus sah das stalinistische Regime den Kosmismus als eine Bedrohung an. Viele russische Schriftsteller, Philosophen, Wissenschaftler, Künstler und Politiker, die von der kosmistischen Bewegung inspiriert und beeinflusst worden waren, fielen Anfang der 1930er Jahre der stalinistischen Säuberung zum Opfer. Dieses frühzeitige Ende ist wohl der Hauptgrund für die Unvollständigkeit und die bis heute bestehenden Widersprüche des Kosmismus. Trotzdem sind Auswirkungen des kosmistischen Gedankens auf die russische Gesellschaft und Politik bis heute zu spüren.
Neben den eher überirdischen Vorstellungen, spielt auch eine sehr weltliche Institution eine große Rolle: das Museum. In diesem sahen die Kosmisten den Ort, der die zur Wiedererweckung nötigen menschlichen Überreste aufbewahren sollte.
All diese Aspekte und Grundsätze der Bewegung – die im Lichte des technologischen Fortschritts heute weitaus weniger irrwitzig erscheinen als zur damaligen Zeit – wurden in der Film-Trilogie “Immortality for All!” von Anton Vidokle aufgegriffen. Die Bilder rechts sind Ausschnitte aus diesen Filmen. Der russische Künstler, dessen Werke bereits auf vielen internationalen Filmfestivals in Europa und Asien gezeigt wurden, ist außerdem Gründer der Kunstplattform eflux.
Schreibe einen Kommentar