Finale der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2018

Stichhaltige Reden, emotionale Schlagabtausche und prominente Ehrengäste – all dies war Teil des Finales der Debattiermeisterschaft am 21.05.2018 in Jena. Mit einer religionsfreien Welt als Leitthema wurde dem Publikum eine hitzige Debatte mit ausgefeiltem Rahmenprogramm geboten.

von Jacky

Vielfalt durch Widerspruch. So lautete das Motto der diesjährigen Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft, deren Finale am 21.05.2018 von der Debattiergesellschaft Jena im städtischen Volksbad ausgerichtet wurde. Dass Widerspruch vielfältige Facetten haben kann zeigten die vier Finalteams rhetorisch und argumentativ eindrucksvoll. Mit der Themenstellung „Welt ohne Religion“ wurde ihnen hierfür eine brandaktuelle und stark umstrittene Leitfrage an die Hand gegeben.

Nach nur einer Viertelstunde Vorbereitungszeit traten die Teams aus jeweils zwei Personen vor vier erfahrenen Juroren, einem ein paar hundert Gäste starken Publikum sowie diversen renommierten Ehrengästen an. Hierzu zählten unter anderem der Thüringer Bildungsminister Helmut Holter und der Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Prof. Dr. Walter Rosenthal. Durch ihre einleitenden Reden würdigten sie den Leitgedanken der Debattiermeisterschaft und betonten die Wichtigkeit der Toleranz verschiedener Meinungen für wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und ein reibungsloses gesellschaftliches Zusammenleben.

Danach hieß es Bühne frei für die Finalteilnehmer. Während zwei Teams aus Heidelberg und Münster die Aufgabe hatten, in der Rolle einer amtierenden Regierung für die Abschaffung von Religionen zu argumentieren, oblag es zwei Teams aus Berlin, als Opposition die Wichtigkeit von Religionen argumentativ zu bestärken. Jeder der Debattierenden kam durch jeweils siebenminütige Reden zu Wort – und diese hatten es in sich.

„Religion treibt einen Keil zwischen die Menschen“, wettert Jakobus Jaspersen aus Heidelberg in den Reihen der Regierung. Argumentativ stützt er seine Grundhaltung dadurch, dass er religiöse Handlungsmotive als irrational einstuft – welche Frau würde es schon aus rationaler Überzeugung hinnehmen, nicht studieren zu dürfen? Diese Beraubung persönlicher Freiheit sei kaum mit einem emotionalen Zugewinn durch Religion zu rechtfertigen, diesen könne man auch anderswo finden. Seine Nachrednerin Anna Markus, ebenfalls aus Heidelberg, legt den Fokus noch stärker auf die beschränkende Wirkung von Religionen auf die Gesellschaft: ein fixes, nicht hinterfragbares Normengerüst sei gefährlich, es rechtfertige beispielsweise die Kasten in Indien, welche zu enormen Chancenungleichheiten führen. Darauf aufbauend kommt sie zu der Überzeugung „Beten ist Wahnsinn“, würde es sonst doch jenen Staaten, in denen am meisten gebetet wird, am besten gehen.

Das Münsteraner Team in der Regierung subsummiert, dass Religion nur eine Letztbegründung für Handlungsvorschriften ist, für die eine argumentative Basis fehlt. „Religion macht Menschen daher zu leicht manipulierbar“ moniert Johanna von Engelhardt. Vielfalt durch Widerspruch sei nur ohne Religionen möglich, da diese oft zu lang Werte der Intoleranz verkörperten. Denn wie kann beispielsweise die Kirche, nachdem sie historisch Homophobie vermittelt hat, plötzlich für Weltoffenheit und gute Werte stehen?

Die oppositionellen Teams aus Berlin haben dieser Frage einige Antworten entgegenzusetzen. Julian Stastny sieht Religion als letztes Korrektiv schlechter menschlicher Eigenschaften, vertrete doch jede Religion im Kern Altruismus und ein gutes Menschenbild. „Religion macht Menschen glücklich“ lautet sein Mantra, dies sei bereits durch Studien belegt worden. Manipulation und Kriegsrechtfertigungen durch Religion hat er entgegenzusetzen, dass jedwede Ideologie instrumentalisiert werden könne, um Menschen zu radikalisieren. Stefan Torges greift die Wirkung anderer Ideologien hierzu auf und beschäftigt sich in seiner Rede mit der Frage, warum Religionen besser sind als andere Ideologien. Besonders stellt er hierbei deren historische Verwurzelung heraus, die eine starke Gemeinschaft und einen sicheren Rahmen für die Anhänger eines Glaubens schafft.

Schlussredner Christoph Kebschull und dessen Teampartnerin Lara Tarbuk schließen mit der besonderen Bedeutung von Religion gegenüber anderen Ideologien – denn niemand ist auf dem Sterbebett zum Kommunismus konvertiert, wohl aber zum Glauben. Und so ist Glaube etwas Gutes, dessen Instrumentalisierung für den Krieg nicht im Sinne der Religion selbst liegt. Der emotionale Aspekt des nicht weltlichen sei es, der Menschen Kraft verleiht, in dieser Welt zu bestehen, auch wenn die Geschehnisse hier das Leben fast unerträglich machten – und so solle diese Tür für jeden Menschen offengehalten werden.

Der Ehrengast und Soziologe Prof. Dr. Hartmut Rosa fand vor allem in Christoph Kebschulls oppositioneller Rede eine „Punchline zu jedem Punkt“ der Regierung gegen Religion, weshalb dieser zum besten studentischen Einzelredner gekürt wurde. Die Juroren wählten schließlich Julian Stastny und Stefan Torges der Berlin Debating Union in ihrer Rolle als Oppositionsteam zum Gesamtsieger des Finals. Besonders der Fokus auf der Religion als bedeutsamste Ideologie und deren Vergleich mit anderen Weltanschauungen war argumentativ exzellent untermauert und verdiente so den Siegerpokal.

Ob nun faktengeladen oder emotional, die unterschiedlichen Herangehensweisen der Teilnehmer ließen die Zuschauer eine spannende und stichhaltige Diskussion miterleben. Der professionelle Rahmen der Veranstaltung, die Leidenschaft der Debattierenden und die unterhaltsamen Reden der Ehrengäste machten aus dem Finale der Debattiermeisterschaft einen spannenden und lohnenswerten Nachmittag, den das Gros des Publikums trotz 26 Grad und Sonnenschein sicher gerne in den Hallen des Volksbades Jena verbrachte.

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