Heldenfantasien im Industriegebiet: Das 6. Kurztheaterspektakel Jena

Vom 24. bis zum 27. Oktober öffnet das Kurztheaterspektakel den Blick für neue Spielweisen auf der Bühne und Spielwiesen im städtischen Raum.

von Carolin

Alljährlich tritt eine Gruppe aus Jenaer Theatermachern und Kulturschaffenden den Beweis dafür an, dass die Thüringer beinahe-Metropole nur oberflächlich betrachtet klein und unspektakulär ist. Das Kurztheaterspektakel schafft Abwechslung in der Theaterlandschaft und der Wahrnehmung der eigenen Stadt. Die bekannte Jenaer Raumknappheit machte die Organisatoren erfinderisch: In diesem Jahr findet das Festival in einer verlassenen Industriehalle in Göschwitz am Ernst-Ruska-Ring, der „Ruski“,  statt. An vier aufeinanderfolgenden Abenden werden hier insgesamt 20 Kurztheaterstücke von Gruppen aus Leipzig, Berlin, Halle und Jena aufgeführt, die zwischen vier Bühnen wechseln. Der Zuschauer zieht mit den Stücken von einer Bühne zur nächsten und erkundet dabei das knapp 2000 m² umfassende Areal. Thematisch und inhaltlich werden keine Vorgaben an die Stücke gemacht; einzig ihre Länge ist auf 20 Minuten begrenzt. Das Festival versteht sich als Theater-Spielplatz, der eine Plattform darstellt für unterschiedliche Ausdrucksweisen, unkonventionell und transmedial. Flankiert werden die einzelnen Stücke von einem Rahmenprogramm unter dem Motto „Mach dich zum Helden“, dem auch eine Vielzahl an teils interaktiven Installationen in den Hallenräumen thematisch entspricht.

Organisiert wird das Kurztheaterspektakel vom Freie Bühne Jena e.V., dem Netzwerk für freie Theatergruppen und Kulturschaffende in Jena. Das Festival ist ein Gemeinschaftsprojekt, in dem unzählige kreative Energien zusammenfließen: Die Planung läuft das ganze Jahr über in einem 15-köpfigen Kernteam. An der Transformation der „Ruski“ von einer Industriebrache zu einem Veranstaltungsort sowie an der Verwirklichung einer umfassenden Infrastruktur für Gäste und Künstler wirken allerdings insgesamt etwa 80 Ehrenamtliche mit. Seit zwei Jahren werden die Organisatoren außerdem technisch durch CAT  unterstützt; die Veranstaltungstechniker stellen – ebenfalls ehrenamtlich – Licht- und Bühnentechnik für die vier Bühnen und verwinkelten Räumlichkeiten zur Verfügung.

Fernab von elitärem Gestus soll das Festival möglichst viele Akteure einbeziehen und Theater für Menschen ganz unterschiedlicher Hintergründe erlebbar machen. So hat der Freie Bühne Jena e.V. vor einem Jahr ein generationsübergreifendes theaterpädagogisches Begleitprojekt zum Spektakel namens „Theater Grenzenlos“ ins Leben gerufen. In dessen Rahmen erarbeiteten sich die Teilnehmer – von denen viele noch nie zuvor auf der Bühne standen – ein Stück, das am Samstag zu sehen sein wird. Zudem wird das Festival in diesem Jahr erstmals um die zweitägige Workshop-Reihe „Theater im Austausch“ ergänzt, das allen Interessierten offen steht. Der Offenbacher Künstler Jos Diegel wird etwa einen performativen 35mm Film-Material-Workshop leiten.

So bietet das Kurztheaterspektakel Theatergruppen und Zuschauern einen Aktionsraum, in dem man sich ausprobieren und auf Neues einlassen kann. Zum Setting einer Heldengeschichte wird Jena hier vor allem, da man in ihm Potenziale erkennt – auch und gerade da, wo vermeintlich nur eine Industriebrache liegt.

Das komplette Programm des Kurztheaterspektakels, inklusive der Workshops, ist hier einzusehen. Anmeldungen zu den Workshops sind nach wie vor möglich.

Der Veranstaltungsort befindet sich am Ernst-Ruska-Ring 9 im Industriegelände Göschwitz.

 

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